Er wird als Europas swingendster Schlagzeuger bezeichnet. Seit sechzig Jahren prägt Daniel Humair den Jazz wie kaum andere seiner Instrumentenkollegen. Darüberhinaus ist er auch als Maler aktiv und erfolgreich. Am 23. Mai feierte Humair seinen 80. Geburtstag.
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Das Ziel jedes Instrumentalisten, auch und besonders im Jazz, ist der eigene, unverkennbare Sound. Alle suchen ihn, manche finden ihn, andere haben ihn schon immer. Schlagzeuger Daniel Humair zählt zu den Letzteren. Er hat dieses ganz eigenen Klang schon immer - und das an einem Instrument, bei dem der persönliche Sound vielleicht besonders schwer zu erreichen ist.
Man hört sofort, ob er am Schlagzeug sitzt, und das in Aufnahmen von 1958 bis heute. Es ist dieser hohe, präzise Beckenton. Humair landet seine Treffer auf dem Becken mit absoluter Perfektion. Seine Akzente setzen sich direkt und konsequent durch, und das bei jeder Lautstärke, egal ob er mit Sticks spielt oder mit Besen. Der wuchtige Charakterkopf steht für eine Unbedingtheit, die ihresgleichen sucht. Und das ist in der weltweiten Jazzszene seit den späten 50er Jahren bekannt.
Sein Stil strahlt seine Persönlichkeit auf faszinierend deutliche Art aus.
Persönlich ist auch sein Schlagzeug aufgebaut. Er spielt als Rechtshänder eine Linkshänder-Aufstellung. Auf seiner rechten Seite finden sich zwei Becken und High-Hat, auf der linken Bassdrum, Snare, kleine Trommel. Eine Aufstellung, die wahrscheinlich nur Daniel Humair spielen kann.
Bildquelle: picture-alliance/dpa Am 23. Mai 1938 in Genf geboren, begann er als Mitglied einer Blaskapelle mit dem Schlagzeugspiel. Sieben Jahre war er da alt, und der Funke war schon übergesprungen. Professioneller Musiker wurde er, nachdem er 1955 bei einem Amateurwettbewerb im Rahmen des Jazzfestivals in Zürich Erste Preise gleich in mehreren Kategorien gewinnen konnte. Er wurde mit den Preisen als bester Nachwuchsmusiker, als bester Schlagzeuger im alten Stil und als bester Schlagzeuger im modernen Stil sowie als bester Solist des Festivals ausgezeichnet. Das gab seiner Karriere einen enormen Schub.
Nach einigen Reisejahren durch Europa kam Daniel Humair 1958 nach Paris und fand dort eine musikalische und persönliche Heimat. Paris war damals die Europäische Jazz-Hauptstadt, und alle amerikanischen Stars schauten für kurze oder auch längere Zeit hier vorbei. Daniel Humair wurde zum gefragten Schlagzeuger für die Musiker aus den USA. Zahllose begleitete er bei ihren Gastspielen. Pianist Bud Powell, Bassist Oscar Pettiford, Trompeter Chet Baker oder Saxophonist Eric Dolphy sind nur einige wenige.
Auch die französischen Jazzer wollten mit dem "swingendsten aller europäischen Schlagzeuger" spielen. Als solchen bezeichnet ihn Joachim-Ernst Berendt in seinem Jazzbuch. Legendäre Aufnahmen mit Pianist Martial Solal, Geiger Stéphane Grappelli oder Saxophonist Barney Wilen entstanden.
Daniel Humair konnte und wollte alles spielen. Zwei Jahre lang war er die treibende Rhythmuskraft des Gesangsensembles "Swingle Singers", von 1968 bis 1972 war er der Motor in Phil Woods European Rhythm Machine - eine Band, mit der Saxophonist Woods bei Festivals weltweit für Aufsehen sorgte. Außerdem wurde Humair zum langjährigen Begleiter des Pianisten George Gruntz, mit dem der Schlagzeuger zusammen mit Saxophonist Flavio und dessen Sohn Trompeter Franco Ambrosetti Co-Leader des Ensembles "THE BAND" war, aus der sich später "The George Gruntz Concert Jazz Band" entwickelte.
Ab 1970 war Humair auch wieder an der Seite vieler US-Stars zu erleben: Saxophonist Dexter Gordon, Gitarrist Jim Hall, Trompeter Art Farmer und etliche mehr ließen sich von Humairs risikobereitem Swing inspirieren.
Schon in den 70er Jahren gab es erste Konzerte, 1984 dann fanden drei europäische Spitzenmusiker zu einer festen Band zusammen: Pianist Joachim Kühn aus Deutschland, Bassist Jean-François Jenny-Clark aus Frankreich und Daniel Humair. Ein Trio, das den Jazz weltweit prägen sollte. Ihre gleichberechtigte, freie und doch stark melodiebezogene Musik begeisterte Jazz-, Klassik- und Rockmusik-Fans gleichermaßen. Das Trio bestand bis zu Jenny-Clarks Tod im Jahr 1998.
Nach 2000 trat Daniel Humair als Bandleader mit unterschiedlichen Besetzungen in Erscheinung, und bis heute führt er das so fort. Die spannenden jungen Musiker der Szene spielen mit ihm, nicht zuletzt Akkordeonist Vincent Peirani und Saxophonist Emil Parisien aus Frankreich. Im Trio mit Saxophonist Vincent lê Quang und Bassist Stéphane Kerecki widmete sich Humair 2017 musikalisch der modernen Bildenden Kunst. Musik, die von Künstlern wie Yves Klein, Jackson Pollock oder Cy Twombly inspiriert ist, findet sich auf der CD mit dem Titel "Modern Art".
Dort könnte sich auch ein Stück für Humair selbst finden, denn seit den 60er Jahren ist er als Maler tätig. Seine Bilder haben durchgehend starke Farben und prägnante Formen. Sie sind abstrakt, archaisch und subtil zugleich. Auf dem internationalen Kunstmarkt sind seine Gemälde gefragte Sammlerobjekte; sie werden immer wieder in namhaften Galerien ausgestellt. Auf seiner Website kann man mehrere seiner Werke betrachten.
Humairs Malerei und seine Musik haben eine Strahlkraft und eine Unbedingtheit, die ihresgleichen suchen. Selten findet man einen so vielseitigen, aber doch so konsequenten Künstler, der seinem Stil durchweg und kompromisslos treu bleibt.
Classic Sounds in Jazz am 23. Mai 2018
Ein Europäischer Weltstar
Zum 80. Geburtstag des kraftvollen und feinsinnigen Schlagzeugers Daniel Humair, der seit mehr als sechzig Jahren den Jazz prägt
Moderation und Auswahl: Ulrich Habersetzer