Das wars 2016. Die Jazzwoche Burghausen ist zu Ende. Vom 8. bis zum 13. März konnte man in der Stadt an der Salzach Internationale Stars und Jazz in all seinen Farben erleben. Was bleibt? Hier ein Fazit.
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Internationale Jazzwoche in Burghausen
Ron Carter & Richard Galliano meet WDR Big Band
Es gibt sie, diese Momente. Sie bleiben hängen, vielleicht für immer. Musik ändert das Leben, und manchmal ist es die leise Musik, die das am besten kann.
Die Jazzwoche Burghausen ging am Sonntag zu Ende. Über 30 Konzerte in der ganzen Stadt und wahrscheinlich eine Rekordzahl an teilnehmenden Künstlern. Allein drei Bigbands konnte man erleben, dazu große Combos mit sechs bis zehn Beteiligten, und relativ wenig kleinere Bands. Auf der Hauptbühne in der Wackerhalle gab es nur am Blues-Nachmittag ein Trio, alle anderen neun Bands waren größer besetzt. Trotzdem, diese Jazzwoche bleibt vor allem in Erinnerung wegen ihrer reduzierten, kleinen, intimen Momente, und da gab es einige.
Wie etwa Kontrabassist Ron Carter und Akkordeonist Richard Galliano einander musikalisch umarmen – Galliano spricht sogar im Interview von einem „Akt der Liebe“. Ganz nah sind sich die beiden. Musik, technisch und ästhetisch enthoben, über all dem Lärm der Zeit schwebend.
Noch gesteigert wird das nur in der weiteren Reduktion. Ron Carters Finger wandeln über die Saiten seines Instruments und lassen die Sonne aufgehen. Der Klassiker „You are my sunshine“, teilweise verwoben mit dem Präludium aus der Cello Suite Nr. 1 G-Dur von Johann Sebastian Bach, auch ein Klassiker. Was Ron Carter hier ganz alleine entstehen lässt, ist einer dieser unvergesslichen Momente, in dem die Töne zwar verklingen, aber für immer Spuren hinterlassen.
So etwas geschieht auch einen Tag später. Der amerikanische Schlagzeuger Sangoma Everett kommt mit seinem Trio und Gästen in die Wackerhalle. Everett ist ein Gentleman. Er lässt anderen den Vortritt. Seinem Gast, dem Trompeter Enrico Rava zum Beispiel. Die Italienische Jazzlegende, im Sommer wird er 77, wird dadurch gleich vor eine Herausforderung gestellt: „My funny Valentine“ im Duo mit Everetts Pianist Bastien Brison, 52 Jahre jünger als Rava. Nicht einmal kurz anspielen können sie das Stück. Probe gibt es keine, und der Soundcheck ist zu hektisch.
Aber der Dialog der beiden im Konzert, das aufmerksame, konzentrierte Einander-Zuhören und Auf-Einander-Eingehen, wird zur Sternstunde. Brison schürft nach tiefverborgenen Harmonien in der weitläufigen Miene dieses Jazzstandards und Rava fördert zarteste Rohdiamanten an Tönen aus dem dunklen Stollen zu Tage. Auch so ein Moment für die Ewigkeit.
Aber es gibt noch mehr dieser Augenblicke: Sänger Andreas Schaerer bei seinen unbegleiteten Soloexkursen. Rhythmus, Melodie und Harmonie werden nur mit Mund, Kehle und Nase erzeugt, beeindruckend.
Bassistin Beate Wiesinger aus dem Kammerer OrKöster, der Gewinnerband des Nachwuchspreises, nimmt sich mehr als drei Minuten um ein Intro zu spielen, in dem jeder Ton seine zu Herzen gehende Bedeutung hat.
Bildquelle: BR Oder wie die Startrompeter Franco Ambrosetti und Dusko Goykovich, seit fast mehr als 50 Jahren befreundet, einander respektvoll auf der Bühne begegnen.
Die lauten Momente der Jazzwoche waren witzig und emotional, wie bei dem französischen Brassband-Partyhaufen „Les Lapins Superstars“. Oder professionell beeindruckend, wie bei den perfekten Einsätzen und kraftvollen Soli der WDR Big Band, die Carter und Galliano in Teilen des Konzerts begleitete, oder kalt virtuos, wie bei den schier endlosen Tonkaskaden der Stanley Clarke Band.
Von den leisen Momenten aber, die man bei der 47. Internationalen Jazzwoche Burghausen erleben konnte – von ihnen wird man noch lange sprechen.