Mit der Vielzahl der Instrumente, die er spielt - Vibraphon, Saxophon, Bassklarinette, Flöte, Klavier - gehört Gunter Hampel zu den großen Multi-Instrumentalisten des (nicht nur) europäischen Jazz. Doch ebenso beeindruckend ist seine stilistische Offenheit: Free Jazz, Hip-Hop, sogar Breakdance: Alles findet in Hampels Universum seinen Platz. Am 31. August wird er 80 Jahre alt.
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Festlegen lässt er sich nicht. Weder auf ein Instrument noch auf das, was er darauf spielt. Und so legt Gunter Hampel während eines Stückes schon einmal die Bassklarinette weg und stellt sich ans Vibraphon, wenn es die momentane Dramaturgie erfordert. Steter Wechsel gehört sowieso zu seinem Konzept. Ein neues Instrument bedeutet einen neuen Impuls. Wenn Hampel das Gefühl hat, eine Entwicklungsstufe im musikalischen Prozess ist abgeschlossen, muss etwas Neues her. Bei seiner "Musik + Dance Improvisation Company" kommt zur musikalischen Vielfalt noch das visuelle Element hinzu: Breakdancer setzen die Musik in Bewegung um.
Überhaupt, der Breakdance: Für Gunter Hampel ist das genauso ein Jazz-Stil wie Bebop. In den späten 60er Jahren lebte er in New York und spielte dort auf der Straße und in Parks. Als in den Siebzigern dann der Hip-Hop entstand, war er dabei. Später stieg er mit seinem Vibraphon bei der Hip-Hop-Gruppe "Jazzkantine" ein und stellte fest, dass Jazz durchaus stadiontauglich sein kann: "Ich hab' mich einfach umgedreht - wir hatten so ein 13-köpfiges Orchester - und dann hab' ich abgewunken. Dann bin ich auf den Gitarristen losgegangen und hab mit meinen Klöppeln diese Ziehtechnik benutzt - die Leute sind wie wild geworden. Das hatten sie noch nicht gesehen. Dann hab' ich sie eingespannt: 11.000 Leute haben aus einer Kehle, als wenn das 11.000 Saxophone gewesen wären, Einwürfe gemacht. Wir haben voll alles 'rausgelassen, was drin war."
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Multi-Instrumentalist und Free-Jazzer
Gunter Hampel und seine Music and Dance Improvisation Company
Gunter Hampel wuchs in Göttingen auf. Auf dem Schoß des Vaters lernte er das Klavierspielen. Als der Zweite Weltkrieg vorbei war, kamen die Amerikaner und brachten neuartige Musik mit. Ein GI namens Joe besaß eine Gitarre. Der kleine Gunter lief mit einem Akkordeon auf dem Hof der Eltern herum - so kam es zu einer ersten Jam-Session. Der Afroamerikaner brachte ihm die ersten Grundkenntnisse des Jazz bei. Später schaute sich Gunter Hampel dann die Vibraphon-Technik von Lionel Hampton ab und ließ sich von Eric Dolphy zur Bassklarinette überreden. Bei einer gemeinsamen Session tauschten sie Instrumente. Dolphy ging ans Vibraphon, Hampel nahm sich dessen Bassklarinette. Dolphys Empfehlung daraufhin: "You sound great, you should get one". Und die Querflöte? Die ist laut Hampel einfach praktisch beim abendlichen Üben im Hotel.
1965 erschien die LP "Heartplants". Gunter Hampel skizzierte auf ihr mit seinem Quintett einen eigenständigen, zeitgenössischen europäischen Jazz. Er war es einfach leid, immer dieselben Standards herunterzunudeln. Also stellte er eine Band zusammen und komponierte eigene Stücke. Die sind durchaus inspiriert vom jungen amerikanischen Modern Jazz, aber mit eigen(willig)er Note und ersten Free-Elementen. Wilde Bläserlinien finden sich hier ebenso wie filigrane Vibraphon-Kapriolen.
1969 gründete Gunter Hampel dann sein eigenes Label "Birth Records". Damit war er unabhängig von Produzenten und Plattenfirmen, künstlerisch frei. Und das freie, unberechenbare Moment ist auch eine Konstante in Gunter Hampels Musik. Jeder neue Auftritt ist ein Reset, eine neue Chance, eine neue Herausforderung: "Man ist doch jeden Tag ein neuer Mensch. Wenn Sie morgens aufwachen, sind Sie doch nicht derselbe Mensch, der Sie gestern waren. Und das ist ein Faktor, den viele Menschen in ihrem Leben gar nicht mehr berühren, weil die Eintönigkeit eines Ablaufes eines jeden Berufes darauf beruht, dass man sich wie bei der Bundesbahn darauf verlassen kann, dass sie um 12.25 Uhr dort stehen und in die Pfeife trillern, damit der Zug weiterfährt."
Unabhängig, unbeirrbar, unverdrossen: Gunter Hampel denkt mit 80 Jahren noch lange nicht ans Aufhören. Der Saxophonist und Trompeter Benny Carter hat es vorgemacht: Mit 92 Jahren stand er noch in New York auf der Bühne und spielte umwerfend. Hampels Fazit: "Ich möchte auch 92 sein und noch spielen. Man wird nämlich immer besser. So gut wie ich heute spiele, habe ich gestern oder vor 20 Jahren nicht gespielt."
Sendung: Jazztime am 31. August 2017, 23.05 Uhr auf BR-KLASSIK.