Von Rockbands wie Deep Purple bis zu Jazzmusikern wie John Scofield und Larry Goldings: Für viele international bekannte Musiker stellt der Münchner Gerhard Vates Instrumente und Equipment. In der Reihe "Im Gespräch" der BR-KLASSIK-Jazztime spricht er über die Auswirkungen der Corona-Krise auf seine Branche.
Bildquelle: Roland Spiegel
Jazztoday: 22. Juni 2020
Partner vieler Stars Im Gespräch mit Gerhard Vates - Podcast
Bei vielen Veranstaltungen, ob beim Jazz-Sommer im Bayerischen Hof oder beim BMW-Jazz-Award, kann man vor Beginn einen freundlich-agilen, langen Burschen mit immer noch nicht ergrauter, lockiger Rock-Mähne neben der Bühne oder bei den Leuten am Mischpult erspähen, der offenbar immer da ist, wenn international bekannte Musiker nach München kommen. Das ist Gerhard Vates, der trotz über vier Jahrzehnten im Musikbusiness immer noch eine bezwingende Jugendlichkeit ausstrahlt. Im Normalfall hat Vates bei 300 bis 500 Veranstaltungen pro Jahr alle Hände voll zu tun - als Ein-Mann-Betrieb mit je nach Auftrag zusammengestellten, freiberuflichen Mitarbeitern. Denn seine Firma verleiht Instrumente und Equipment bei Auftritten von Stars wie Gitarrist Eric Clapton, Reggae-Popmusiker Shaggy oder auch Jazz-Gitarrist John Scofield. Seit Mitte März 2020 ist bei ihm Stillstand – oder wie er sagt: "komplett Ende". In unserer Reihe "Im Gespräch mit ...", in der unterschiedliche Personen aus der Musikbranche über die Auswirkungen der Corona-Krise und über ihren Werdegang sprechen, gibt Vates Auskunft über seine Situation und seinen ungewöhnlichen beruflichen Weg. „Ich bin guter Dinge“, sagt er, betont aber auch, dass die Situation gerade in der Musikbranche für Viele schwierig sei: "Wir sind am Ende in der Kette". Während in anderen Branchen das Leben wieder Fahrt aufnimmt, ringt die Musikbranche immer noch um Lösungen.
MIT JON LORD IM "MUSICLAND"
Hammondorganist Larry Goldings spielt gerne auf Instrumenten von Gerhard Vates. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Schon als Schüler jobbte Gerhard Vates bei Rock-Konzerten. Bei einer dieser Gelegenheiten lernte er die Musiker der Gruppe Deep Purple kennen. Deren Keyboard-Spieler Jon Lord sagte zu ihm: Wenn wir wieder in München Aufnahmen machen, kommst du einfach dazu. Das tat er, und so landete Gerhard Vates in den 1970er Jahren berühmten "Musicland"-Studio des italienischen Produzenten Giorgio Moroder. So begann die Karriere von einem, auf den seit Jahrzehnten viele Weltstars angewiesen sind. Zunächst arbeitete er bei Studio-Produktionen unter anderem von Sängerin Donna Summer und dem Electric Light Orchestra mit. 1992 gründete Vates einen professionellen Verleih für Instrumente und Equipment bei Großveranstaltungen - denn damals begann durch die neuen Möglichkeiten der digitalen Musikproduktion eine Krise der Studios. Vates besitzt rund tausend Instrumente, darunter 200 Gitarren, 150 Schlagzeuge und 10 Hammond-Orgeln, für die er nach Bedarf Bands unterschiedlichster Stile ausstatten kann. Da ist es unter anderem wichtig, ganz bestimmte Modelle aus bestimmten Jahrzehnten bieten zu können, die zum Klang-Konzept der jeweiligen Bands passen. Musiker wie die Jazz-Organisten Jimmy Smith und Larry Goldings konnten bei ihren Münchner Auftritten darauf zählen, von Vates genau das gewünschte Instrument zu erhalten, für eine Fernseh-Aufzeichnung organisierte er auf Bedarf schon mal eine Fender-Stratocaster-Gitarre in einem seltenen Blau, er organisierte die Eröffnungsshow der Fußball-WM 2006 in München - wo er und sein Team 23 Sekunden Zeit hatte, um in der Mitte des Stadions ein Bühnen-Setting aufzubauen -, und als Musiker trat er unter anderem mit Sänger Rod Stewart in Thomas Gottschalks Show "Wetten dass" auf.
Sein berufliches Credo klingt so: "Ich mag einfach gute Klänge. Ich bin Klang-Fetischist. Und das in jedem Bereich, auch wenn ich live irgendetwas mache, es muss einfach optimal klingen. Ich mag mich mit den Musikern oft intensiv damit auseinandersetzen, dass es für die und für den Raum einfach optimal klingt. Ich mag mich eigentlich immer damit beschäftigen, dass das Produkt, um das es geht - die Musik - so rüberkommt, dass man das Gefühl hat: Mensch, das ist ein Erlebnis! Und das muss einfach stimmen."
In Zeiten des Stillstands wirkt Gerhard Vates, in Jeans mit modischen Löchern und lässigem Hemd im Gespräch im Münchner "Weryton Studio", das er mit einem Partner betreibt, gelöst und unaufgeregt - obwohl die Auftragslage, wäre sie nicht mit einer bewundernswerten Ruhe geschildert, ziemlich dramatisch ist: Seit Mitte März habe er über Nacht alles herunterfahren müssen, sagt Gerhard Vates, es habe täglich Absagen gegeben - und dass bis Ende des Jahres noch größere Musik-Veranstaltungen mit internationalen Künstlern stattfinden könnten, glaubt er nicht. Nur drei kleine Aufträge, darunter ein Spuckschutz für eine Konferenz der Münchner Volkshochschule und ein Instrument für ein Online-Konzert des Deutschrockers Peter Maffay, habe er in diesen bisher drei Monaten gehabt. Eine einmalige 9000-Euro-Unterstützung für Solo-Selbständige kann die laufenden Kosten, die Vates hat, nicht auffangen: Rund 10 000 Euro kämen monatlich zusammen, darunter 5000 Euro Miete für die Lagerhalle seiner Instrumente. Bis Ende des Jahres rechnet Vates mit etwa 250 000 Euro Verlust. Da er, wie er sagt, "ganz altmodisch" wirtschafte und für nichts, was er für seine Firma besitze, Kredite abzahlen müsse, fühle er sich noch nicht in Existenznot. Er habe Rücklagen und könne eine Weile durchhalten. In dieser für alle in der Branche überraschenden Situation gebe es viele neue Ideen, unter anderem auch die, Konzerte in Autokinos zu geben. "Was aber definitiv nicht passiert, ist, dass internationale Künstler kommen. Die haben - unabhängig von unserer Situation - alle Tourneen für heuer abgesagt. Die können auch nicht kurzfristig mal schnell wieder kommt. Da muss man mal schauen, ob es vielleicht nochmal eine Hilfsmaßnahme für diese Branche geben kann. Denn die steht einfach zuallerletzt hinten dran. Ich denke, dass wir einfach durchhalten müssen."
Live-Musik, sagt Gerhard Vates, "geht den Leuten mittlerweile massiv ab". Es gehe bei Musikveranstaltungen ja um weit mehr als um Vergnügen. "Man kann ja nicht nur arbeiten und seinen Haushalt und seine gewohnten Dinge ablaufen lassen, man braucht auch mal die Möglichkeit, spontan zu sagen: Heute gehen wir ins Konzert. Die Kultur gehört - wie das Essen - zum Leben eines Menschen. Und man darf nicht vergessen: Es sind wohl bundesweit etwa 3 Millionen Arbeitsplätze betroffen." Er selbst sei guter Dinge, und er hoffe, dass auch andere die Motivation nicht verlieren.
Jazztime, Montag, 22. Juni, 23.05 Uhr
"Im Gespräch mit ..." einem, der die Töne zum Ohr bringt: dem Veranstaltungstechniker und Partner vieler Weltstars, Gerhard Vates. Mit Musik von John Scofield, Larry Goldings, Jimmy Smith, Deep Purple, Pink Floyd und Gerhard Vates selbst.
Moderation: Roland Spiegel