Klaus Doldinger, TV- und Filmmusik-Komponist ("Tatort", "Das Boot") sowie Jazz-Saxofonist und Bandleader ("Passport") wird am 12. Mai 85 Jahre alt. BR-KLASSIK gratuliert.
Bildquelle: Peter Hönnemann
Er hat Musik geschrieben, die man sofort erkennt: Ein einziger dramatischer Instrumenteneinsatz – und man ist sofort am Tatort einer fast fünf Jahrzehnte währenden deutschsprachigen Fernsehgeschichte. Eine beunruhigende Kantilene aus der Tiefe: Schon ist man mit im "Boot". Eine schier unendliche Geschichte sind die berühmten Filmmusiken des in der Nähe von München lebenden Klaus Doldinger. Der Komponist und bekannte Jazz-Saxofonist, in dessen Langzeit-Band "Passport" einst die Pop-Schnodderschnauze Udo Lindenberg am Schlagzeug saß, feiert am 12. Mai seinen 85. Geburtstag.
Klaus Doldinger hat in einer mittlerweile sechs Jahrzehnte andauernden Karriere über 4000 Konzerte gegeben, rund 2000 Stücke geschrieben und allein mit "Passport" fast 40 Alben veröffentlicht. Doldinger wurde 1936 in Berlin geboren und wuchs unter anderem in Wien, im bayerischen Schrobenhausen und in Düsseldorf auf. In Düsseldorf studierte er am Konservatorium Klavier und Klarinette – beides klassisch. Aber er kam früh mit dem Jazz in Berührung. Dies schon durch die amerikanischen Truppen in Bayern:
Für mich war das ein völlig neues Erlebnis, dass da eine Band so mit wilden Tönen um sich warf.
Bereits 1953 trat Klaus Doldinger in der von Freunden gegründeten Dixieland-Band "The Feetwarmers" auf, die zwei Jahre später ihre erste Schallplatte einspielte. Später gründete er ein eigenes Quartett, mit dem er dem modernen "Bebop"-Stil frönte, jener Musik, die ein bisschen kantiger und hektischer ist als der Swing. Mit dieser Band konnte er dann 1963 bei dem Label "Philips" eine Platte machen, die "Doldinger – Jazz made in Germany" hieß.
1/7
Klaus Doldinger feiert am 12. Mai seinen 85. Geburtstag.
Bildquelle: picture-alliance/dpa
2/7
Berühmt wurde er für seine Filmmusiken.
Bildquelle: Marc Dietenmeier
3/7
Live auf der Bühne ist Klaus Doldinger ein Erlebnis.
Bildquelle: Warner Music Germany
4/7
In den Siebziger Jahren schon ein Star der Szene.
Bildquelle: picture-alliance / dpa
5/7
Klaus Doldinger zusammen mit Saxofonlegende Johnny Griffin.
Bildquelle: picture-alliance / dpa
6/7
Sein erster Schlagzeuger und langjähriger Freund Udo Lindenberg
Bildquelle: picture-alliance / dpa
7/7
Klaus Doldinger vor dem Düsseldorfer Schlossturm.
Bildquelle: picture-alliance / dpa
Damit kam der Erfolgsweg dieses Musikers richtig in Gang. Doldinger wurde schnell zum Trendsetter mit dem Gespür für Moden. Eine hippe Brille mit dickem schwarzem Rand trug er in den Sechzigern, weißes Hemd, dunklen Schlips, und er sah ziemlich cool aus. Und sein schon zur Gründungszeit seines Quartetts bevorzugtes Instrument, das Saxofon, war ohnehin ein Symbol hippen neuen Lebensstil. Es war das bedeutendste Instrument jener Musik, die nach 1945 in Deutschland zum Soundtrack der wiederentstehenden Demokratie geworden war. Und: Es war ein Blas-Rohr von Freiheit und Neu-Aufbruch. Wirtschaftswunder, schicke Autos, rau röhrende Töne. Der Jazz war vor dem Rock'n'Roll der Sound der Jugend.
Der Jazz war unsere treibende Kraft.
Und diese für damalige Verhältnisse ungewohnt ekstatische, von Blues und Gospel beseelte Musik war ein Klang mit deutlicher Wirkung. "Als die Doldinger-Vier 1965 beim Ball des Düsseldorfer Amateur-Jazz-Festivals den neuen Klang erstmals erprobte, mussten ohnmächtige Mädchen aus dem Saal getragen werden", stand im September 1965 im Nachrichten-Magazin "Der Spiegel". Weiter hieß es da: "Dezenter war das Entzücken, das Doldinger vorletzte Woche auf einer Party im Hause der Düsseldorfer Waschpulver-Gattin Gabriele Henkel weckte; zwischen Gedichtvorträgen blies er milder."
Die einen bewundern es, die anderen werfen es ihm gerne vor: Klaus Doldinger ist ein Musiker mit Gespür für Erfolg. Schon immer hat er unterschiedliche Dinge ausprobiert. Unter dem Pseudonym "Paul Nero" spielte er schon früh auch Popmusik, damals "Beat-Musik" genannt, Tanzmusik mit Blues-Einflüssen – immerhin elf LPs dieser Art machte er. In den 1960er Jahren kam dann auch Einstieg in die Filmbranche. 1969 schrieb er seine ersten Filmmusiken – eine für "Negresco" von Klaus Lemke und "Baal" von Volker Schlöndorff. Bereits 1970 komponierte er die Kennmelodie für die Krimiserie "Tatort", von der damals noch niemand wissen konnte, dass sie ein Fernseh-Dauerbrenner mit einer Tragfähigkeit von bisher 46 Jahren werden würde. Mit dem Regisseur Wolfgang Petersen begann er 1974 zusammenzuarbeiten, 1981 und 1984 entstanden dann die Renner "Das Boot" und "Die unendliche Geschichte" mit den populär gewordenen Filmmusiken von Klaus Doldinger: Musiken von hohem Wiedererkennungswert, die sehr geschickt mit atmosphärischer Intensität und überraschenden Stimmungs- und musikalischen Lichtwechseln spielt.
Bildquelle: Warner Music Germany Parallel dazu hatte Klaus Doldinger seine Band "Passport" gegründet. Der Name war eher Zufall: Man brauchte eine gute Plattenhülle, ein Foto mit Pässen darauf passte dem Label gut ins Design-Konzept. Die Musik dieser Band, in deren Gründungsformation der spätere Solo-Star des deutschsprachigen Rock, Udo Lindenberg, am Schlagzeug saß, erkannte wieder sehr geschickt die Zeichen der Zeit. "Fusion" nennt man die Mischung, für die Passport stand und steht: Jazz mit rockigen Rhythmen, sattem Sound und Zutaten aus anderen Klangwelten – wie afrikanische oder lateinamerikanische Percussion und schon auch mal Vogelgezwitscher aus dem Urwald. Stücke hießen denn auch zum Beispiel "The Cat from Katmandu" oder auch "Iguacu" nach den berühmten Wasserfällen in Südamerika. Und die LPs von Passport, oft mit Doldinger-Konterfeis auf der Hülle, die den Musiker mit riesiger Seventies-Tropfenform-Brille und Netzer-Mähne zeigen, trugen Titel wie "Garden of Eden", "Ataraxia", "Oceanliner" – und später "Passport to Paradise" oder "Passport to Morocco". Gewitzter Umgang mit Zeitkolorit und ein Gespür für das, was nicht nur einen engeren Hörerkreis interessiert - auch hier zeigt sich das.
Seine Filmmusiken und gelegentlichen Ausflüge ins Schlagergeschäft sieht Klaus Doldinger keineswegs nur als Gelegenheits-Produkte. Er schätzt diese Arbeit und verteidigt sie vehement. Gerade schlichte, schöne Melodien nötigen ihm Respekt ab. Er sagt: Bei einfachen Melodien laufe man immer Gefahr, etwas zu komponieren, was es so ähnlich doch schon gebe, was ihm aber nie passiert sei. Doldinger: "Leichter ist es natürlich, etwas Abstraktes zu schreiben – zum Beispiel bei Krimis Musiken, die nur aus Klangeffekten bestehen -, als wenn man eine sangbare, erinnerbare Melodie schreibt: Dazu gehört auch Mut."
Klaus Doldinger lebt seit Jahrzehnten auf dem Land in der Nähe von München - im "Oberland", wie er sagt. Dort hat er auch sein eigenes Studio, wo er viele seiner berühmten Aufnahmen gemacht hat. In der "Jazztime"-Sendung zu seinem 85. Geburtstag spricht Klaus Doldinger auch von seinen musikalischen Anfängen. Er erzählt, wie er zum Saxofon kam und über die Konflikte mit seinen Eltern, die der Musikkarriere ihres Sohnes gemischte Gefühle entgegenbrachten.
Weiterhin spricht Doldinger mit BR-KLASSIK über die Entstehung seiner berühmten Titelmelodien zum "Tatort" und zum Film "Das Boot" – und darüber, dass er sich keine Gedanken über die Rente macht. Auf der Bühne zu stehen ist eine Herausforderung, die Klaus Doldinger nie gescheut hat. Und das seit inzwischen über sechs Jahrzehnten.
"Klaus Doldinger zum 85. Geburtstag"
"Leporello" am 12. Mai 2021 ab 16:05 Uhr
"Passport, Tatort und das Saxofon
Zum 85. Geburtstag von Komponist, Saxofonist und Musiklegende Klaus Doldinger"
"Jazztime" am 12. Mai 2021 ab 23:05 Uhr