Er legte die Soundflächen über denen Jahrzehnte lang Gitarrist Pat Metheny glänzen konnte. Am 10. Februar 2020 ist der Klangtüftler und Keyboarder Lyle Mays im Alter von 66 Jahren gestorben.
Bildquelle: Bayerisches Jazzinstitut, Ludwig-Binder-Sammlung
Als älterer Musiker hat Lyle Mays seine Selbstdeutung relativiert. Ursprünglich aber, als er in den 1980er Jahren zusammen mit seinem damaligen Alter Ego Pat Metheny und dem gemeinsamen Quartett auf dem Zenit der Popularität stand, wehrte er sich vehement gegen die Idee, er sei mehr von klassischen Einflüssen bestimmt als von improvisierenden Impulsen. Damals berief sich der Pianist aus Wausaukee in Wisconsin mit Nachdruck auf die vermittelnden Stil-Gestalten des Genres, auf Bill Evans und dessen ergreifende musikalische Poetik, auf die Abstraktionskraft eines Paul Bley oder auch den mäandrierenden Frohsinn eines Chick Corea.
Wer allerdings genau hinhörte, bemerkte schnell Mays’ faszinierende harmonische Gestaltungskraft, seine Fähigkeit, der klanglichen Form eine Tiefe des Ausdrucks zu verleihen, die ihr über den improvisierenden Moment des Spontanen hinaus eine Perspektive des Profunden verlieh. Letztlich wusste der Künstler das auch damals schon, nur braucht es noch seine Zeit, bis er 2015 anlässlich der Veröffentlichung eines wiedergefundenen Radiomitschnitts von 1993 feststellte: "Ich komponiere wie ein klassischer Komponist, beeinflusst von Bach, Beethoven, Brahms und ich improvisiere sogar aus der Haltung des klassischen Komponisten heraus. Wenn man sich meine Aufnahmen anhört, klingt das zwar auch nach Jazz, aber nicht im traditionellen stilistischen Sinn".
Lyle Mays stammte aus der Provinz. Geboren am 27.November 1953 in eine musikalisch aktive Familie, erlebte er als Kind seine Mutter als Kirchenorganistin oder lauschte seinem Vater, der sich autodidaktisch das Gitarrenspiel beigebracht hatte. Selbst musikalisch begabt, saß er dann schon als Zehnjähriger an der Kirchenorgel der Gemeinde, bekam Klavierunterricht und fand über verschiedene Lehrer und Sommerkurse unter anderem bei Marian McPartland und Rich Matteson seine Begeisterung für Jazz. Mit 17 Jahre zog es ihn zum Klavier- und Kompositionsstudium an die North Texas State University in Denton, mit deren Studentenband er Wettbewerbe gewann und für das Album "Lab ’75" sogar für den Grammy nominiert wurde.
Prägend allerdings wurde eine Bekanntschaft, die er 1975 beim Wichita Jazz Festival machte. Damals traf er auf den umtriebigen Gitarristen Pat Metheny, der sich zwei Jahre später an den Klavierkollegen erinnerte, als er nach passenden Partnern für ein neues, zwischen Fusion und Kammerjazz pendelndes Quartett suchte. Von 1977 an bildeten sie ein Team, das in verschiedenen Transformationen fast drei Jahrzehnte zusammenarbeitete und sich zu einer der stil- und soundprägenden Formationen der zeitgenössischen, rockjazzig orientierten Szene entwickelte. Gerade das Wechselspiel von Methenys kaum zu domestizierendem virtuosem Überschwang und Mays’ pointierter Präzision der harmonischen und melodischen Stimmungsführung, ergänzt um sein sicheres Gespür im Umgang sowohl mit synthetischen Sounds wie der natürlichen Klangraumfülle, machten aus diesem Quartett ein vielfach Grammy-prämiertes Unikat der Musikgeschichte.
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Pat Metheny & Lyle Mays - September Fifteenth (Live)
Es sorgte allerdings dafür, dass Lyle Mays sich mit der Zeit aus dem dominanten Beziehungsgefüge herausarbeiten musste, um als eigenständiger Künstler wahrgenommen zu werden. Aber auch das gelang ihm mit Finesse. So arbeitete er neben eigenen Bands als TV- und Filmkomponist etwa für Soundtracks wie "The Falcon And The Snowman" (1985), schrieb für Ensembles wie Debussy Trio und war in Bands unter anderem mit Joni Mitchell, Bobby McFerrin, Milton Nascimento, aber auch bei Earth, Wind & Fire oder David Bowie zu hören, an dessen Hit "This Is Not America" er 1985 zusammen mit Metheny als Komponist mitwirkte. Viel beachtet wurde auch seine Aufnahme "Solo" (2000), bei der er mit der Kombination von natürlicher und synthetische Tonerzeugung experimentierte. Denn das war überhaupt sein Thema. Lyle Mays war der Großmeister einer ästhetisch subtilen Tongestaltung, der seine Virtuosität in den Dienst eines umfassenden, die Welt von Improvisation und Klassizität umgreifenden Klangverständnisses stellte. Am Montag ist der Souverän des Sounds in Los Angeles im Alter von 66 Jahren gestorben.
All that Jazz am 20. Februar 2020
Nachruf auf Keyboarder Lyle Mays
Moderation udn Auswahl: Ssirus W. Pakzad