Er war einer der bekanntesten Jazzmusiker Deutschlands: der Pianist und Komponist Wolfgang Dauner. Jetzt ist der Synthesizer-Pionier wenige Tage nach seinem 84. Geburtstag in Stuttgart gestorben.
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Ein Mann mit langem grauen Pferdeschwanz, markant geränderter Brille und borstigem Schnurrbart. Dazu ein Sound von großer Wiedererkennbarkeit. Jazz, der rockte. Oder auch Rock, der jazzte. Aber dennoch nichts zwischendrin, sondern eine konturenscharfe Verbindung von beidem. Für das und anderes mehr stand der Musiker Wolfgang Dauner: Er war Pianist, er war einer der ersten Synthesizer-Experimentatoren, er begleitete Stars von Marikka Rökk bis Konstantin Wecker ebenso, wie er mit dem Saxophonisten Charlie Mariano, dem Schlagzeuger Jon Hiseman oder auch dem Posaunisten Albert Mangelsdorff zusammenspielte. Noch im hohen Alter war er musikalisch aktiv – unter anderem im Duo mit seinem Sohn, dem Schlagzeuger und Hip-Hopper Florian Dauner. Doch eine ganze Zeitlang war es zuletzt still um ihn. Wolfgang Dauner, ein gebürtiger Stuttgarter und sehr vielseitiger Musiker ist diesen Freitag einer längeren Krankheit erlegen.
Viele Musikfans kannten ihn aus den Auftritten mit dem "United Jazz + Rock Ensemble", jener Vereinigung herausragender europäischer Jazzmusiker, die mit eingängigen Stücken auf Tournee gingen, in denen sich die beiden in ihrem Namen genannten Eckpunkte lustvoll vereinten. Diese zehnköpfige Band hatte Dauner 1975 für eine Fernsehproduktion gegründet. Sie existierte bis 2002. Er war stets ein großer Anreger dieses Ensembles, in dem neben Posaunist Albert Mangelsdorff unter anderem der Gitarrist Volker Kriegel, die Saxophonistin Barbara Thompson und die Trompeter Ian Carr und Ack van Rooyen mitwirkten. Dauner stellte einen großen Teil des Repertoires für diese Band, Stücke wie etwa "Wendekreis des Steinbocks" oder "Ausgeschlafen". Eine rhythmisch wiederholte Figur am Klavier – ein starker Einsatz eines Themas und insgesamt eine klare, gut nachvollziehbare Kontur: Das waren Markenzeichen seiner Kompositionen. Sie waren stets Statements.
Bildquelle: picture-alliance/dpa Wolfgang Dauner, der am 30. Dezember 1935 in Stuttgart geboren wurde, hat die unterschiedlichsten Dinge gemacht. Er spielte Trio-Jazz in den Sechzigern – am Klavier. Er schrieb 1970 als Jazz-Avantgardist ein Stück für Donaueschingen, das Mekka der E-Musik-Avantgarde – es war unter anderem besetzt mit Chor, Tonband und Plattenspieler. Er schrieb eine Jazz-Oper mit dem Titel "Der Urschrei". Und: Dauner war, was er selbst sehr gern hervorhob, einer der Pioniere des Synthesizers.
In einem Interview mit BR-KLASSIK sagte Dauner: "Ich hab Synthi 100 gespielt, das war einer der größten Synthesizer, die es damals gab. Da gab’s nur vier Stück auf der Welt. Einen hatte ich, und die anderen waren in Illionois, Warschau und Utrecht. Und auf diesem Gerät, das hat immerhin sechseinhalb Zentner gewogen, auf dem hab‘ ich meine ganzen Fingerübungen gemacht für meine spätere Computer- und Samplertätigkeit." Erinnerungen an Zeiten, in denen ein Synthesizer so groß wie ein Schrank und so schwer wie mindestens drei Musiker war. Dieses Instrument und andere, darunter auch ein großer Konzertflügel, nutzte Wolfgang Dauner exzessiv und erfolgreich 1978 auf seiner mit dem großen Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichneten Solo-LP "Changes".
Rätselhaft raunen konnte Musik von Wolfgang Dauner. Sie konnte als schrille zeitgenössische Kunstmusik auftreten. Sie konnte zart swingen. Dann wieder ganz funky losrocken. Und sie konnte mit Elementen aus der sogenannten Minimal Music spielen, die mit reizvollen Tonwiederholungen und Motiv-Überlagerungen eine eigene Intensität schuf. Signaturstücke Dauners wie "Trans Tanz" oder "Steps of M. C. Escher" zeigen, wie griffig der Musiker mit solchen Zutaten umging, die stets über die Konventionen des Jazz hinausreichten. Dauner war ein Neugieriger. Und wenn der Gitarrist Volker Kriegel (1943 bis 2003) im "United Jazz + Rock Ensemble" derjenige war, der mit seinen witzig-hintersinnigen Stücken für das Augenzwinkern in dieser Groß-Combo sorgte, dann war Dauner der lustvolle musikalische Giftmischer in diesem Kreis.
Wolfgang Dauner bei der Verleihung des Jazz Echo 2016 | Bildquelle: picture-alliance/dpa In seinen frühen Jahren arbeitete Wolfgang Dauner auch als Sideman für Diven der Unterhaltungsmusik, Marikka Rökk, Lale Andersen, Zarah Leander – damals war Dauner noch Trompeter. Diese Engagements waren dem gelernten Mechaniker willkommen, um in der Szene Fuß zu fassen. Und er sagte: "Mein ganzes Interesse gilt einfach der Musik – in ganz breitem Spektrum. Unterhaltungsmusik hat ja sowas wie ein 'Gschmäckle', wie man bei uns in Schwaben sagt. Das ist aber falsch. Wenn mich was nicht unterhält, dann ist es langweilig. Unterhaltungsmusik ist kein Synonym für was Schlechtes."
Auch als musikalischer Leiter der Band des bajuwarischen Kraftkerls Konstantin Wecker begeisterte Dauner viele. Er machte Musik für Kindersendungen. Sein Duo mit dem Posaunisten Albert Mangelsdorff, der lange die Galionsfigur des bundesdeutschen modernen Jazz war, gehörte in den 1980er und 1990er Jahren zu den Highlights bei vielen Festivals mindestens in Deutschland. Mit ihm spielte Dauner eine Musik, die das Sinnliche und Griffige gern auch mit dem Schroffen verband. Im Zusammenspiel mit seinem Sohn Florian, den man nicht zuletzt von den "Fantastischen Vier" kennt, fand er Klänge, die viel von Wolfgang Dauners ganz eigenen musikalischen Charakteristiken in Sounds des 21. Jahrhunderts überführten:
Es groovte im Untergrund. Dann hob ein Thema an und setzte ein Statement. Dauner-Klänge: Traurig, dass man sie jetzt definitiv nur noch von Konserve haben kann.