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Fünf Jahre NUEJAZZ Festival Die packende Vielfalt des Jazz

Ein Festival mit internationalen Stars und Neuentdeckungen organisiert von Jazzmusikern aus der Region wird zur Erfolgsgeschichte. Einige spannende Spielarten des Jazz aufgerollt in sechzehn Konzerten an fünf Abenden begeisterten das Publikum beim fünfjährigen Jubiläum.

Trompeter Avishai Cohen und Bassist Barak Mori | Bildquelle: Ludwig Olah

Bildquelle: Ludwig Olah

Das Doppelkonzert im Nürnberger Opernhaus, das in diesem Jahr zum zweiten Mal Bestandteil des Programms war, ist ein besonderes Highlight des Festivals, das mit großem Einsatz von einer Arbeitsgruppe des Nürnberger Jazzmusiker e.V. unter der Führung seiner beiden Vorstände Frank Wuppinger und Marco Kühnl konzipiert und organisiert wird. Hier präsentiert NUEJAZZ die Stars der internationalen Szene. Der in New York lebende, israelische Trompeter Avishai Cohen ist einer von ihnen.

Trompeter Avishai Cohen und Pianist Yonathan Avishai | Bildquelle: Ludwig Olah Trompeter Avishai Cohen und Pianist Yonathan Avishai | Bildquelle: Ludwig Olah Noch keine vierzig ist der Mann mit dem unwahrscheinlich langen Bart biblischen Ausmaßes, den er mit durch und durch weltlicher Attitüde, Tattoos und beringten Fingern konterkariert. Sein Ton: eine Offenbarung. Bestechend und eindringlich, in feinsten Schattierungsfacetten einen Spielcharakter ausgestaltend, der auf einer Skala mit Miles Davis liegt: sofort erkennbar, dunkel abgetönt unmittelbar ins Gefühlszentrum zielend, emotional aussagekräftig. Diesem Ton sind keine spieltechnischen Grenzen gesetzt. Bis in die höchsten, zartesten Höhen im Pianissimo wahrt er seine anrührende Präsenz. In den Klangraum des offenen Flügels hineingespielt werden poetische Melodien zu Traumbildern in Klang, im Crescendo sich dramatisch aufbäumender Kompositionen aberwitzige Läufe zur musikalischen Erzählkunst. Zwei Freunde aus Kindheitstagen an Flügel und Bass: Barak Mori und Yonathan Avishai. Mit ihnen und Schlagzeuger Nasheet Waits hatte er sein aktuelles Album "Cross my palm with silver" für ECM eingespielt. Beim Konzertabend am 10. November in Nürnberg übernahm allerdings Mark Guiliana die Schlagzeugposition, nachdem er zuvor schon mit seinem Quartett für einen Festivalhöhepunkt gesorgt hatte.

Ein Hallelujah für den Jazz

Schlagzeuger Mark Guiliana | Bildquelle: Ludwig Olah Schlagzeuger Mark Guiliana | Bildquelle: Ludwig Olah Dass ein deutliches "Hallelujah" aus den Jubelrufen im Applaus für eine der mitreißenden Passagen im Konzert des Mark Guiliana Quartets herausschallte, passte zum spirituellen Impact der Musik, die der Schlagzeuger für sein traumhaft aufeinander eingespieltes Quartett geschrieben hat. Die großen Bögen mit ihren polyphonen Kulminationspunkten, die eher Hochplateau als einsamer Gipfel sind, wirken wie symphonisch konzipiert vom Kompositions-Autodidakten Mark Guiliana. Die Informationsdichte seiner Musik ist enorm. Allein die permanenten metrischen Vexierspiele des Schlagzeugers und ihre sich immerzu wandelnde Verzahnung mit den harmonischen Schichtungen und Melodielinien seiner Mitmusiker sorgen dafür. Es entsteht ein homogener Klangstrom, und die Band wird dabei zum atmenden Organismus, aus dem heraus die Solisten agieren: der junge, aus Kuba stammende Pianist Fabian Almazan mit hörbar klassischer Unterfütterung, Tenorsaxofonist Jason Rigby in einer bestechenden Mischung von schlichter Melodieschönheit und expressiver Ekstase und Bassist Chris Morrissey mit singendem Ton und perfekter Intonation. Mit dieser Band und den Stücken, die Mark Guiliana für sein neues Album "Jersey" geschrieben hat, rückt der auch im Verbund mit Brad Mehldau und David Bowie bekannt gewordene Sideman als Bandleader in die erste Riege vor.

Musikantische Virtuosen

Saxophonist Emile Parisien und Akkordeonist Vincent Peirani | Bildquelle: Ludwig Olah Saxophonist Emile Parisien und Akkordeonist Vincent Peirani | Bildquelle: Ludwig Olah Der Löwenanteil der Konzerte des NUEJAZZ Festivals findet in der Kulturwerkstatt Auf AEG statt. Ein idealer Ort auf ehemaligem Werksgelände mit einladender Atmosphäre und zwei sehr gut ausgerüsteten Konzertsälen. Im etwas kleineren "Labor" traten Bands aus Nürnberg und der Region auf - darunter die Formation "Koala Kaladevi" um Sängerin Johanna Iser, die mit ihrem hip-hoppigen Jazzmix abräumte. Im etwa 300 Menschen fassenden und fast immer ausverkauften größeren Saal waren die internationalen Acts zu erleben. Am Donnerstag, dem 9. November, präsentierte die zehnköpfige Formation "Max Andrzejewski´s HÜTTE & The Homegrown Organic Gospel Choir feat. Dorrey Lin Lyles" ein Programm, das alle an Gospel geknüpften Klischees über den Haufen warf. In den englischen Texten ging es um Essen - um die "gute Butter" ebenso wie über die Essstörung. Der vierstimmige Chor sorgte mit verstörend schönen Harmoniereibungen für Gänsehaut, die Solistin klinkte sich mit seelenvollem Silbengesang ein, die Band mit kraftvollem Jazz. Ein Genuss mit untergründigen Aromen. Danach zwei Bühnentiere aus Frankreich, die mit punktgenau gesetzten, musikalischen Effekten dem Affen Zucker gaben: der Akkordeonist Vincent Peirani und der Sopransaxofonist Emile Parisien. Hochvirtuose Spieler, die das Musikantische lieben und sich gegenseitig befeuerten in dynamischen Bögen vom fast Meditativen bis zum wilden Tanz - Querverweise zu Sidney Bechet und zu Franz Schuberts Streichquartett "Der Tod und das Mädchen" inklusive.

Auf diesem Energielevel ging es danach weiter mit dem Trio des Pianisten Harold Lopéz Nussa aus Havanna. Noch ein Geheimtipp hierzulande, kann man ihn doch getrost mit aufnehmen in die von Chucho Valdez und Gonzalo Rubalcaba angeführte lange Liste herausragender kubanischer Tastenkünstler. Sein Bruder Ruy Adrian am Schlagzeug ist sein direktes Anspiel-Gegenüber, und allein schon ihr Mienenspiel ist beste Unterhaltung, wenn sie ihren funkensprühenden, auf karibische Rhythmen aufbauenden Stilmix von einem Höhepunkt zum nächsten jagen. Am Ende: glückliche Erschöpfung bei Musikern und Publikum.

Jazz mit Rock- Power

Leïla Martial Baa Box | Bildquelle: Ludwig Olah Leïla Martial Baa Box | Bildquelle: Ludwig Olah "Baa Box" nennt die französische Vokalartistin Leïla Martial ihr Trio mit Gitarrist Pierre Tereygeol und Schlagzeuger Eric Perez, weil das Blöken von Schafen - "Baa" - wie ein Schrei sei, der einfach raus muss - so wie bei ihr die Klänge, die nicht unbedingt immer schön sein müssen, sondern vor allen Dingen Ausdruck einer Intention, die durch Klang Gestalt erhält. Das klingt vielleicht etwas abschreckend, ist aber in der Praxis hochspannend und musikalisch, voller Überraschungen, hochgradig virtuos, witzig und bewegend, und von einer großartigen Vitalität. An einem Tag öffne man - wenn man so Musik mache - ein Fenster hin zum Universum und am nächsten Tag ein anderes, erzählt die junge Frau später im Interview. Et voilà: eine kleine Sensation beim allerersten Auftritt des seit fünf Jahren existierenden Trios in Deutschland, das übrigens streckenweise ausgesprochen rockig spielte.

An diesen Modus knüpfte auch der kanadische Gitarrist Matthew Stevens mit seiner Band an, der am selben Tag auch einen Workshop im Rahmen des NUEJAZZ Festivals gegeben hatte. "Preverbal Trio" heißt seine Band, mit der er sich in den vorsprachlichen Raum begibt. Beim Hineintauchen in einen Zustand, in dem er und seine Mitmusiker aus der Intuition heraus agieren, steht ihm allerdings auch das Vokabular der Jazzharmonik zur Verfügung und so entsteht eine Art "Grunge-Jazz" mit leicht psychedelischer Sogwirkung, in dem atmosphärische Ruheinseln von der Sehnsucht nach innerer Einkehr künden.

Kreativ-Kosmos Mingus

The Bellevue Nurses | Bildquelle: Ludwig Olah The Bellevue Nurses | Bildquelle: Ludwig Olah Das fulminante Finale des vierten der insgesamt fünf Konzertabende des Festivals lieferte das zwölfköpfige Ensemble "The Bellevue Nurses". Eine starke Besetzung aus den Reihen des Nürnberger Jazzmusiker e.V. unter der Leitung des Pianisten und Komponisten Peter Fulda. Er hat die Platte "The Black Saint and the Sinner Lady" des legendären Jazzbassisten und Komponisten Charles Mingus transkribiert. Ein ungemein kraftvolles und vielschichtiges, in manchen Passagen fast unbehauen rohes, dann wieder fein geschliffenes Meisterwerk, durchdrungen vom Geist der New Orleans Tradition, aber auch berührt von Stilmitteln eines Charles Ives. Großartig in seiner Wirkung und als Spielfläche für starke Solisten. Auch hierfür gab es großen Jubel.

Es war eine gelungene Jubiläumsausgabe des jungen und sich jedes Jahr in seiner Konturenschärfe noch verbessernden NUEJAZZ Festivals, dessen Existenz dem Engagement Nürnberger Jazzmusiker und der Unterstützung von befreundeten Kulturschaffenden und JazzliebhaberInnen zu verdanken ist. Neben den hervorragenden Konzerten, die an drei Abenden von BR-KLASSIK für die Jazztime mitgeschnitten wurden, war es auch die Atmosphäre in den angeschlossenen Foyers und Bars, das "Meet & Greet" mit den MusikerInnen, das dort möglich war, waren es aber auch die Begegnungen und Gespräche, die man unter dem Eindruck der besonderen Musikerlebnisse mit bis dato fremden Menschen führen konnte, die dieses Festival zu einem echten Ereignis gemacht haben. Endlich wieder ein vielversprechendes, inspirierendes und vom Publikum gut angenommenes Festival in Nürnberg!

NUEJAZZ Festival 2017 auf BR-KLASSIK

Jazztime am 15. November 2017, 23.05 Uhr
Leïla Martial "Baa Box" & Matthew Stevens Preverbal Trio

Jazztime am 29. November 2017, 23.05 Uhr
Avishai Cohen Quartet

Jazztime am 13. Dezember 2017, 23.05 Uhr
Mark Guiliana  Quartet

Jazztime am 10. Januar 2018, 23.05 Uhr
Vincent Peirani&Émile Parisien, Harold López Nussa Trio

Jazztime am 14. Februar 2018, 23.05 Uhr
Bellevue Nurses

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