Am 25. Januar 1949 war es so weit: Die US-Militärregierung übergab "Radio Munich" in deutsche Hände – die Geburtsstunde des Bayerischen Rundfunks. Von nun an gestaltete der BR sein Programm für den Freistaat Bayern als öffentlich-rechtliche Anstalt in Eigenregie. Von Anfang an eine Herzensangelegenheit war die klassische Musik - übertragen mit der fortschrittlichsten Technik.
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Unmittelbar nach Kriegsende hatten die Alliierten die Deutschen Sender übernommen. Die Amerikaner entwickelten den Rundfunk in Bayern zu einem Medium der demokratischen Erziehung – denn die Nationalsozialisten hatten das Radio im Dritten Reich gleichgeschaltet und für ihre Propagandazwecke missbraucht. Jetzt, wenige Monate vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, war die Zeit gekommen, die Verantwortung wieder in die Selbstverwaltung zu legen. Am 25. Januar 1949 fand im Münchner Funkhaus ein feierlicher Festakt statt, bei dem die US-Regierung "Radio Munich" an den Bayerischen Rundfunkrat übergab.
Rudolf von Scholtz, erster Intendant des Bayerischen Rundfunks | Bildquelle: BR In ganz Deutschland entstanden damals die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und ihnen übergeordnet schließlich die ARD, die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands. Ein System, das die Entwicklung des Musiklebens nachhaltig beeinflusste: Während außen herum noch alles in Trümmern lag, wurde der Rundfunk zum wichtigsten Mäzen des Kulturlebens. Der erste Intendant des BR, Rudolf von Scholtz, definierte seinen kulturellen Auftrag so: "Unsere Kultur, die vergröbert war – die musikalische, die geistige, die gesellige – steht in der Genesung und beginnt wieder aus alten und neuen Kräften sich reiner zu entfalten. Der Rundfunk wird alle Kräfte um sich scharen, fördern, anregen und wirtschaftlich stützen. Der Rundfunk hat sich neben dem Staat als verantwortungsvoller Mäzen zu bewähren. Nur dann wird unsere Stimme in der Welt die Fülle und die Geltung haben, die sie beanspruchen kann."
Unsere Kultur, die vergröbert war – die musikalische, die geistige, die gesellige – steht in der Genesung und beginnt wieder aus alten und neuen Kräften sich reiner zu entfalten.
Es herrschte Nachholbedarf. Die zwölf Jahre Naziherrschaft hatten Deutschland von der internationalen Entwicklung der Musik abgekoppelt. Die "Neue Musik" – etwa von Bartók, Strawinsky und Schönberg – stand jetzt in den Programmen des Rundfunks ganz oben an. Und natürlich auch die Musik der aus dem Exil zurückgekehrten deutschen Komponisten. Zu ihnen gehörte zum Beispiel Paul Hindemith, dessen Suite "Noblissima visione" der Bayerische Rundfunk mit dem Komponisten am Dirigentenpult der Münchner Philharmoniker gleich im ersten Jahr seines Bestehens aufzeichnete.
In zwei Sondersendungen erinnert BR-KLASSIK an das 70-jährige Bestehen des Bayerischen Rundfunks: am 23. Januar um 20:05 Uhr mit einem Konzertabend und am 25. Januar um 19:05 Uhr mit dem Musik-Feature "Zwischen Kulturmedium und Dudelfunk".
Eugen Jochum dirigiert das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks | Bildquelle: BR / Historisches Archiv, Foto: Werner Neumeister Aber nicht nur die beiden bereits etablierten Orchester Münchens, das Bayerische Staatsorchester und die Münchner Philharmoniker, sorgten für Aufnahmematerial. Vor allem die hauseigenen Klangkörper übernahmen nun eine wichtige Rolle. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks wurde im Juli 1949 von Chefdirigent Eugen Jochum und BR-Intendant Rudolf von Scholtz gegründet und mit einem üppigen Budget ausgestattet, das eine Spitzenbesetzung erlaubte. Anders als seine Vorgänger, die Funkorchester, die eher einem Musikerpool glichen und ausschließlich Live-Konzerte im Radio spielten, gab das neu gegründete BR-Symphonieorchester nun auch Konzerte mit Publikum. Und auch der Chor des Bayerischen Rundfunks, der bereits 1946 als 28-köpfiges Berufsensemble gegründet wurde, rückte immer mehr ins Rampenlicht. Unter Eugen Jochum entwickelte sich eine fruchtbare Zusammenarbeit der beiden Klangkörper.
Schon kurz nach der Gründung nahm der BR den europaweit ersten UKW-Sender in Betrieb. Begünstigt durch die technische Entwicklung ermöglichte das Radio nun auch neue Formen von Musik: die "Musique concrète", also die Tonbandmusik, und die elektronische Musik. Beide Richtungen wurden besonders beim WDR in Köln und beim Südwestfunk in Freiburg gefördert, wohl auch wegen der Nähe zu Frankreich, dem Ursprungsland der "Musique concrète".
Durch die internationalen Erfolge von Chor und Symphonieorchester, die Gründung des Münchner Rundfunkorchesters und des ARD-Musikwettbewerbs (beide 1952) wurde die Klassik-Kompetenz des BR weiter ausgebaut. Schon vor dem Krieg hatten Live-Übertragungen aus der Bayerischen Staatsoper (erstmals 1924) und aus dem Bayreuther Festspielhaus (seit 1931) Radiogeschichte geschrieben. Eine Tradition, die der BR fortsetzte. In den 1930er-Jahren war es eine technische Sensation gewesen, dass eine komplette Wagner-Oper von Bayern aus live in mehr als 200 Ländern übertragen wurde. In der Nachkriegszeit sorgten Neuerungen wie die Stereo-Technik im Radio für bis dahin ungeahnten Klassik-Hörgenuss. Auch das Auge wurde bedacht. Als der BR 1954 erstmals Beiträge zum gemeinsamen Fernsehprogramm der ARD lieferte, war die klassische Musik prominent vertreten: Gleich am ersten Tag wurde eine eigens fürs Fernsehen inszenierte Produktion von Mozarts Oper „Die Gärtnerin aus Liebe“ gesendet. So war es letztlich nur eine Frage der Zeit, bis am 3. Oktober 1980 Deutschlands erster reiner Spartenkanal für klassische Musik auf Sendung ging: Bayern 4 Klassik – heute BR-KLASSIK.