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Cellist Alban Gerhardt im Gespräch "Ich übe und spiele in Konzerten immer mit Ohrstöpseln"

Mit acht Jahren packte Alban Gerhardt die Leidenschaft für sein Instrument und ließ ihn bis heute nicht mehr los. Bereits mit 21 Jahren debütierte er bei den Berliner Philharmonikern. Es folgten internationalen Engagements in Tokio, London und New York. Diese Woche spielt er Edward Elgars Cellokonzert e-Moll mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.

Cellist Alban Gerhardt | Bildquelle: © Kaupo Kikkias

Bildquelle: © Kaupo Kikkias

BR-Klassik: Das Cellokonzert e-Moll ist das letzte Werk von Edward Elgar, in das er all seine Traurigkeit hineingelegt hat. Wie fühlt man sich, wenn man ein solches Werk gespielt hat?

Alban Gerhardt: Aufgewühlt und bewegt. Gerade bei diesem "Wind-Down" im letzten Satz, wo es sich immer mehr beruhigt und eine fast depressive Atmosphäre entsteht, bis dann das Thema des zweiten Satzes im langsamst möglichen Tempo zitiert wird. Wenn das klappt, ist es einer der schönsten Momente in der Celloliteratur. Wenn es nicht klappt, ist es einfach nur doof.

Mein Gehirn soll den Notentext behalten und nicht die Fingersätze, die überflüssig sind.
Alban Gerhardt

Partitur mit Korrektur

BR-Klassik: Vor welche spieltechnischen Herausforderung stellt Sie dieses letzte große Orchesterwerk von Edward Elgar?

Alban Gerhardt: Rein spieltechnisch gehört es zu den leichteren Cellokonzerten. Es ist großartig, aber nicht extrem kompliziert. Auf der anderen Seite der Skala ist das Schumann-Konzert, was ich musikalisch wahnsinnig schwierig finde und spieltechnisch am allerschwersten. Es hört sich vielleicht nicht so an, aber Elgar ist im Vergleich zu Schumann "Hänschen klein".

BR-Klassik: Seit fast 30 Jahren stehen Sie professionell auf der Bühne. Sie haben mal erzählt, dass Sie zu Anfang sehr viel in Ihre Noten geschrieben haben, z. B. Fingersätze, Bogenstriche, Ausdruck. Wie sehen Ihre Partituren heute aus?

Alban Gerhardt: Ich schreibe überhaupt nichts mehr hinein. Im Gegenteil: Neulich habe ich mir die Mühe gemacht, alle gedruckten Fingersätze und Bogenstriche auszustreichen. Ich habe gemerkt, dass sie mich davon ablenken, das Stück auswendig zu lernen. Mein Gehirn soll ja den Notentext behalten und nicht die Fingersätze, die auch überflüssig sind. Denn wenn man ein Stück auswendig kennt, kann man irgendeinen Fingersatz nehmen. Es muss nicht immer der gleiche sein.

Hörschutz als Handicap

BR-Klassik: Um sich besser konzentrieren zu können, spielen Sie manchmal mit Ohrstöpseln. Machen Sie das auch hier im Münchner Herkulessaal?

Cellist Alban Gerhardt | Bildquelle: © Kaupo Kikkias Bildquelle: © Kaupo Kikkias Alban Gerhardt: Ursprünglich war das die Idee meines Pianisten. Er meinte, dass das Üben mit Ohrstöpseln darauf vorbereitet, auf der Bühne zu spielen. Denn das Zimmerchen, in dem wir üben, ist ja sehr viel kleiner als ein Konzertsaal, so dass wir im Konzertsaal oft müde werden, weil wir plötzlich sehr viel Kraft aufwenden müssen, um diesen großen Raum zu füllen. Mit den Ohrstöpseln ist man schon beim Üben angehalten, mehr zu tun, weil man viel weniger hört. Irgendwann habe ich sie dann bei einem Konzert drin gelassen und war entsetzt. Ich habe mich noch nie so schlecht auf der Bühne gefühlt. Aber als ich die Aufnahme des Abends gehört habe, war ich begeistert. Ich hatte mich nie zuvor als so gut empfunden. Die Ohrstöpsel waren ein Handicap und ich hatte das dann auf der Bühne versucht zu kompensieren. Und das war musikalisch und klanglich besser als das, was ich von mir gewohnt war. Deswegen habe ich das beibehalten: Seit ungefähr zehn Jahren probe, übe und spiele ich in Konzerten immer mit Ohrstöpseln.

Die Ohrstöpsel waren ein Handicap und ich hatte das dann auf der Bühne versucht zu kompensieren.
Alban Gerhardt

BR-Klassik: Hören Sie dann ganz gedämpft oder gar nichts?

Alban Gerhardt: Ich höre besser als ohne! Denn wenn ich sie nicht trage, höre ich mich selber ja sehr laut. Die Ohrstöpsel dämpfen die Raumakustik weg, ich höre dann alles relativ trocken, sehr exakt und sehr genau. Auch die Intonation hört man noch präziser als ohne Ohrstöpsel.

BR-Klassik: Vor ein paar Jahren haben Sie den Gründer der Europa-freundlichen Bewegung "Pulse of Europe" kennengelernt und daraufhin selber Initiative ergriffen. Wie sieht heute Ihr Engagement aus?

Alban Gerhardt: Ein Journalist hatte mich zum gleichen Zeitpunkt gefragt, warum wir Musiker uns eigentlich alle mal vereinzelt äußern, aber nie gemeinsam etwas tun würden. Ich habe dann geantwortet, dass ich gerne etwas organisieren würde – aber wer bin ich schon? Ich bin ja nicht Anne-Sophie Mutter. Er riet mir, sie und andere Kollegen doch einfach anzuschreiben. Das habe ich getan und es kamen ein paar hundert Musiker zusammen. Wir haben dann in leidenschaftlichen Diskussionen ein Manifest verfasst, das mehr als 600 Leute unterschrieben haben. Wir haben ein Benefiz-Konzert veranstaltet, was auf tolle Resonanz gestoßen ist. Leider ist es danach etwas im Sande verlaufen. Eben weil wir Musiker uns alle ein bisschen um uns selbst drehen. Gemeinam etwas zu tun, liegt nicht unbedingt in unserem Naturell. Jeder von uns ist mit seinen eigenen Sachen beschäftigt: Familie, Karriere, Steuern. Da ist es schwer, gerade die selbstständigen Musiker zu organisieren. Und ich bin alles andere als ein politischer Aktivist. Ich habe zwar meine Meinung, war in meinem Leben aber nur einmal auf einer Demonstration. Da bin ich eher schwachmathisch veranlagt.

Sendung: "Leporello" am 27. Februar ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Infos zum Konzert

Donnerstag, 28. Februar 2019, 20:00 Uhr
Freitag, 01. März 2019, 20:00 Uhr


München, Herkulessaal

Benjamin Britten
Peter Grimes. Four sea interludes, op. 33a
Edward Elgar

Konzert für Violoncello und Orchester e-Moll, op. 85
Ralph Vaughan Williams
Symphonie Nr. 4 f-Moll

Cristian Măcelaru, Dirigent
Alban Gerhardt, Violoncello
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

BR-KLASSIK überträgt das Konzert am Freitag, 01.03.2019 ab 20:05 Uhr live im Radio.

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