Sie gehören zu den faszinierendsten Werken der Violinliteratur: die Rosenkranzsonaten von Heinrich Ignaz Franz Biber. Der Geiger Gunar Letzbor und sein Ensemble Ars Antiqua Austria haben den Zyklus neu eingespielt.
Bildquelle: © Pan Classics
Freude - Leid - Triumph: Das ist der thematische Dreiklang und der dramatische Spannungsbogen der Rosenkranzsonaten von Heinrich Ignaz Franz Biber. In der Konzeption ähnlich dem "Messias" von Händel beschäftigt sich Biber in seinem Zyklus für Violine und Basso continuo mit dem Weg und dem Wirken Jesu von der Geburt über den Tod zur Erlösung.
Der Geiger Gunar Letzbor hat mit der Continuo-Sektion seines Ensembles Ars Antiqua Austria nun eine neue Gesamtaufnahme der Rosenkranzsonaten auf zwei CDs vorgelegt. Für ihn ist das ein besonderes Projekt - denn 1996 feierte Letzbor mit seiner ersten Aufnahme des Zyklus ein äußerst erfolgreiches Solo-Debüt.
Der Erfahrungsschatz ist nun reicher, doch kommt es Letzbor heute wie damals vor allem auf die Unmittelbarkeit der Interpretation an. Er scheut sich nicht, Bibers Klanggemälde ungeschönt auszuleuchten. So ist etwa der Schlusssatz der Sonate "Jesus, der für uns gegeißelt worden ist" auch eine Geißelung für die Ohren - man kann die Peitschenhiebe und ihre Gewalt geradezu nachfühlen. Letzbor setzt aber nicht nur auf äußerliche Effekte, sondern dringt auch tief in die seelische Dimension des Leidens ein, verdeutlicht die inneren Wunden der Schläge.
Neben dem Solisten müssen auch die Continuo-Spieler hervorgehoben werden. Sie sorgen mit der Vielfalt ihrer Instrumente - von der Laute über die chitarra attiorbata bis zur Orgel - für einen ungeahnten Reichtum an Klangfarben.
Vermutlich spielte Biber, Vizekapellmeister des Salzburger Erzbischofs, die Sonaten einzeln bei den Andachten der Rosenkranz-Bruderschaft in der damals neu errichteten Wallfahrtskirche Maria Plain. Für Gunar Letzbor sind die religiös-mystischen Wurzeln der Rosenkranzsonaten nicht nur historisches Faktum, mit dem man umgehen muss, sondern persönliches Anliegen. Er sei nur deshalb fähig, die tiefsten Schichten dieser Musik auszuloten, weil er selbst gläubig sei, betont der Geiger im Booklet. Der Gehalt der Mysteriensonaten könne nicht geistig erfasst werden, sondern nur als mystisches Ereignis in Demut erlebt werden: durch Rührung vom Herzen zum Herzen.
Gunar Letzbor, Violine;
Ars Antiqua Austria
Label: Pan Classics
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 15. März 2020, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK