Giovanni Gabrieli verband die franko-flämischen Polyphonie mit der venezianischen Mehrchörigkeit. Das Ensemble "La Guilde de Mercenaires", die Söldnergilde, möchte der ursprünglichen Form dieser Musik möglichst nahekommen und wählt dafür eine Besetzung, die Stimmen und Instrumente kombiniert.
Bildquelle: © Chateau de Versailles Spectacles
Adrien Mabire und seine Guilde de Mercenaires verwandeln die barocke Schlosskapelle von Versailles in einen venezianischen Klangpalast. Für ihre neue CD mit Aufnahmen früher Stücke von Giovanni Gabrieli bauten sie hier sogar eigens eine Orgel auf. Nicht nur ein Orgelpositiv, denn bei geistlicher Musik wurden ja die Kirchenorgeln verwendet. Der mobile Nachbau einer Silbermannorgel aus dem Elsaß hat eine viel größere Farbpalette, ist gar nicht mal so laut, wie man denken könnte, aber vom Klangbild her viel voluminöser und präsenter.
Überhaupt ist die Klangmischung äußerst gelungen. Den vier Sängern und zwei Sängerinnen steht ein kleines Ensemble aus Zinken und Posaunen gegenüber, dazu die Orgel. Kein Einzelklang sticht hervor, aber jeder Stimmverlauf ist hörbar, eine vorbildliche Balance. Damit können alle der 4- bis 12-stimmigen Werke abgedeckt werden. Wie zu Gabrielis Zeiten werden die Gesangsstimmen durch die Instrumente verstärkt, wobei diese sich auch die Freiheit für gut dosierte Verzierungen nehmen. Bei den vielstimmigen Stücken übernehmen die Instrumente auch eigenständige Stimmen oder einen ganzen Stimmenchor.
Der Zinkenist Adrien Mabire widmet sich mit dieser Aufnahme den frühen Werken von Gabrieli, die meist ein- oder zweichörig sind. Er möchte sich der Musik von Gabrieli chronologisch annähern und verzichtet zunächst auf die späteren, bekannten mehrchörigen Stücke. "Früh" ist aber missverständlich, es bezieht sich auf die ersten Kompositionen, die Giovanni Gabrieli nach dem Tod seines berühmten Onkels und Lehres Andrea veröffentlichte - und da war er immerhin schon dreißig. Aus den "Concerti" von 1587 und den ersten "Sacrae Symphoniae" von 1597 stammen die Motetten und einige instrumental interpretierte Canzoni.
Dieses Programm der "La Guilde des Mercenaires" orientiert sich locker an einer möglichen Musikfolge für einen gottesdienstlichen Rahmen. Neben Gabrielis Musik gibt es einige Stücke aus dem weiteren Zusammenhang, von Claudio Merulo, Adrian Willaert und Orlando di Lasso. So sinnvoll dies für ein abwechslungsreiches Konzertprogramm auch ist, mir hätte die Konzentration auf Werke von Giovanni Gabrieli gereicht, davon aber auch gerne ein paar mehr. Natürlich ist es aber verständlich, dass gerade Alte Musik-Ensembles in schwierigen Zeiten mit ihren Ressourcen haushalten müssen. Und daher freue ich mich über die klanglich so aufschlussreich arrangierte Musik auf dieser CD, so wie sie ist.
Giovanni Gabrieli
La Guilde de Mercenaires, Adrien Mabire
Label: Chateau de Versailles Spectacles
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 15. August 2021, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK