Idylle unter alten Bäumen. Der Apfelsinenhof der Kathedrale von Sevilla ist ein Überbleibsel der alten Moschee. Von hier aus erkundet das Blockflötenensemble "The Royal Wind Music" auf seiner neuen CD das Gotteshaus und seine Klangwelt.
Bildquelle: Pan Classics
Wie im Brennglas spiegelt die Kathedrale von Sevilla die wechselvolle Geschichte Spaniens. Denn bewusst baute man das imposante Gotteshaus an die Stelle der alten, verfallenen Moschee als Zeichen des Triumphes, des Sieges der spanischen Könige über die arabischen Herrscher Andalusiens. Vom Genius Loci ließ sich das niederländische Blockflöten-Ensemble "The Royal Wind Music" inspirieren zu einer neuen CD mit polyphoner Musik aus dem Spanien des 16. Jahrhunderts, die in den Handschriften der Kathedrale überliefert ist.
Einige Reste der alten Moschee hat man beim Bau der Kathedrale belassen, darunter den idyllischen "Patio de los Naranjos", den Apfelsinenhof. Nach diesem bezaubernden Ort ist die CD benannt und hier im Schatten der Orangenbäume beginnt die musikalische Erkundung der Kathedrale mit einer Improvisation über einen alten Modus der arabischen Musik, wie er im mittelalterlichen Marokko und Spanien in Gebrauch war.
Anschließend durchstreift die "Royal Wind Music" den Altarraum und die Kapellen der Kathedrale von Sevilla, besteigt den Turm mit seinem fantastischen Blick über die Stadt. Jedem dieser Orte sind einige Werke zugewiesen, die den Charakter der Kirche besonders gut treffen oder eben von Komponisten stammen, die an der Kathedrale tätig waren.
Die "Royal Wind Music" ist ein reines Blockflöten-Ensemble. In der Renaissance schätzte man große Ensembles aus einer Instrumentenfamilie und daher baute man Blockflöten in allen Registern von Sopranino bis Subcontrabass, also von der Länge her etwa von der Spargelstange bis zum Alphorn. Diese Art der Besetzung folgt dem Renaissance-Ideal eines homogenen Klangbildes, das über den Tonumfang jedoch breit aufgefächert wird.
Dieses Ideal feilt das Ensemble mit Wurzeln im Amsterdamer Konservatorium in feinsten Nuancen aus. Die elf Musikerinnen und Musiker zelebrieren den weichen und warmen Klang der Blockflöte, bleiben aber trotzdem stets transparent in der Stimmführung. Die Musik lebt durch den Atem, der aus elf Mündern kommt und den Charakter jedes einzelnen Tons formt – aber auch durch ihre Verknüpfung mit einem Ort, der in jedem Stein von unendlich vielen Schicksalen, Begegnungen und Begebenheiten erzählt.
Pedro de Escobar, Francisco Guerrero, Cristobal de Morales, Miguel de Fuenllana
The Royal Wind Music
Label: Pan Classics
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 29. Mai 2023, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK