Ob als Soloinstrument oder im Consort – die Blockflöte war bis ins 18.Jahrhundert ein überaus beliebtes Instrument. Und erlebte im 20.Jahrhundert eine doppelte Wiederentdeckung: in den Grundschulen und in der Alte-Musik-Bewegung.
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Für zahlreiche Klassikliebhaber ist die Blockflöte - sagen wir es höflich - nicht gerade das bevorzugte Musikinstrument. Schuld daran dürften eigene leidvolle Erfahrungen mit der Blockflöte in der Kindheit sein. Es ist eben doch nicht so einfach Finger, Zunge und Atem so aufeinander abzustimmen, dass dabei ein schöner und gleichbleibender Klang entsteht. Zur Ehrenrettung der Blockflöte muss aber gesagt werden: Wenn ein guter Spieler die komplexen Griff- und Blastechniken beherrscht, kann aus ihr wahrhaft elysische Musik entstehen. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass der Rattenfänger von Hameln ausgerechnet die Blockflöte spielte, um zuerst die Ratten und dann die Kinder mit seinen Klängen zu verführen.
Der Blockflöten-Virtuose und Musikhochschuldozent Jeremias Schwarzer hat in seiner Kindheit dagegen viel positivere Erfahrungen mit dem Flötenunterricht gemacht:
"Wenn man eine sehr gute Blockflötenlehrerin hatte, so wie das bei mir der Fall war, lernt man unglaublich viel Musik kennen, aus der Barockzeit zum Beispiel, was wirklich toll ist. Meine Flötenlehrerin hat sich immer ans Cembalo gesetzt, und ich kam da hin, und sie sagte: Heute spielen wir Corelli. Und dann haben wir Corelli gespielt oder Händel. Ich habe das nie verstanden, dass man sagt: Blockflöte ist ein bisschen begrenzt. Ich spielte Tenorflöte, ich spielte Altflöte, dann im Blockflötenquartett und dann gab es den Spielkreis mit 40 Spielern. Also, ich fand das total üppig."
Flöten aus Knochen oder Holz gab es schon in prähistorischen Zeiten, sie zählen zu den ältesten Musikinstrumenten der Menschheit. Die Blockflöte erfuhr ihre Hochzeit in der Renaissance- und Barockmusik. Hier gab es kaum einen bedeutenden Komponisten, der nicht für dieses Instrument Originalstücke geschrieben hätte, bis hin zu Bach, Händel und Vivaldi. Danach geriet die Blockflöte ziemlich in Vergessenheit, so dass Strawinsky, als er das erste Mal eine sah, sie für eine Art Klarinette gehalten haben soll. Im 20. Jahrhundert erlebte die Blockflöte, die als Kontrabassblockflöte schon mal 2,50 Meter lang sein kann, ein Revival.
Blockflöte heißt sie übrigens nicht etwa, weil sie aus einem einzigen Block geformt wäre, sondern weil im Mundstück, dem sog. Schnabel, ein Holzblock sitzt, der für die Tonerzeugung zuständig ist. Der Block lässt nur einen engen Spalt frei, durch den die Luft des Flötenspielers strömt, um diesen einmaligen Klang zu erzeugen, schwärmt Jeremias Schwarzer:
"Das Typische für die Blockflöte ist, dass sie so unglaublich schnell reagiert, dass man so sehr variabel artikulieren kann und dass man so sensibel gestalten kann. Sie reagiert sehr schnell. Anders als bei einer Oboe, denn da muss man ja immer noch einen Luftwiderstand überwinden. Bei der Blockflöte ist man mit der Artikulation sofort im Instrument und hat dort unglaubliche Gestaltungsmöglichkeiten - und ein schnelles Ändern von Gestaltungsmöglichkeiten. Deswegen ist die Reagierbereitschaft und Beweglichkeit von so einer Blockflöte etwas ganz Tolles. Man kann in jeder Sekunde den Esprit des Moments anders auffangen und dann sofort drauf reagieren."
Die Blockflöte gilt als das Instrument des Todes und der Liebe. Während der milde Klang von Tenor- und Altblockflöte Schmerz, Süßigkeit und überirdischer Freude ausdrückt, sind die hohen Blockflöten für Tanz und Vogelgezwitscher da.
Sendungsthema aus "Forum Alte Musik" vom 11. April 2020, 22.05 Uhr auf BR-KLASSIK