Rampensau oder Teamplayer? Wie klingt es, wenn gleich drei Geiger um die Gunst des Publikums spielen? Der entdeckerfreudige Johannes Pramsohler hat in ganz Europa Barocksonaten für drei Violinen gesammelt. Selten aufgeführte Musik von hoher Virtuosität.
Bildquelle: © Audax Records
Im 17. Jahrhundert trat die Geige ihren Siegeszug in Europa an. Die Barockkomponisten schrieben ganz neue Instrumentalmusik für dieses ebenso virtuose wie kantable Instrument. Die Triosonate entstand. Und obwohl auch Violen und Zinken und später auch andere Instrumente die Melodielinie spielten, kam der Violine der oberste Rang zu. Die Geige mit ihren vielfältigen klanglichen Möglichkeiten war der Chef im Ring. Die Zeitgenossen konnten sich nicht satthören an dem Instrument. Was lag da also näher, nicht nur Kammermusik für eine oder zwei Geigen, sondern sogar für drei Geigen zu komponieren?
Wie in einem Jugendstilbild mit verschlungenen floralen Elementen treten die drei Violinen in einen harmonischen Wettstreit miteinander. Die erste Geige legt los, die zweite fällt ein, dann kurz darauf die dritte. Mal spielen sie gleichberechtigt im Team für einen satten Ensembleklang, mal überholen sie einander und drängeln sich aneinander vorbei wie rampensüchtige Diven, die den Konkurrentinnen die Aufmerksamkeit nicht gönnen. Das Pariser Ensemble Diderot um den Barockgeiger Johannes Pramsohler hat solche Sonaten für drei Violinen ausgewählt und mit atemberaubender Präzision auf seinem neuen Album eingespielt. Eine Reise quer durch Europa vom Anfang bis zum Ende des 17. Jahrhunderts.
Sonaten für drei Geigen zu komponieren wurde eine hohe Kunst im Barock. Nur die Besten trauten sich das überhaupt zu. Denn für drei gleichwertige Oberstimmen zu schreiben bedeute ganz neue Effekte zu kreieren, changierend zwischen Solostück und Ensemblewerk. In Italien setzte zu Beginn des Jahrhunderts Giovanni Gabrieli Maßstäbe, gefolgt von Fontana, Buonamente und Torelli. In Österreich versuchten Johann Heinrich Schmelzer und Johann Joseph Fux die italienischen Kollegen durch hochfliegendes Geigenspiel noch zu übertrumpfen. In Deutschland schmückte Johann Sommer Choralmelodien mit drei Geigen aus. Und Johann Pachelbel ließ die drei Geigen haargenau dasselbe spielen – allerdings im Kanon. In England komponierten Henry Purcell und Thomas Baltzar Tänze für drei Geigen. Sonaten mit tanzartigen Sätzen schuf auch der Flame Carolus Hacquart, während der Franzose Louis-Antoine Dornel raffiniert das Konzertante der Violinen betonte.
Beeindruckend und virtuos ist diese Reise auf drei Geigen. Johannes Pramsohler und seine kongenialen Violinpartner Roldán Bernabé und Simone Pirri spielen technisch perfekt und hoch inspiriert. Echte Teamplayer, die je nach Vorlage des Komponisten aber auch mal die Rampensau aufblitzen lassen. Ein faszinierendes Alte-Musik-Album abseits des gängigen Repertoires
Sommer, Fontana, Buonamente, Pachelbel, Torelli, Fux, Dornel, Gabrieli, Purcell, Schmelzer, Baltzar, Hacquart
Ensemble Diderot, Johannes Pramsohler
Label: Audax Records
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 1. August 2021, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK