Die umjubelte irische Sopranistin Rachel Baptist war wahrscheinlich die einzige Schwarze Operndiva des 18. Jahrhunderts. Rachel Redmond und Peter Whelan entreißen eine faszinierende Künstlerin der Vergessenheit.
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Angeblich trug sie stets wallende Gewänder aus gelber Seide, wenn sie die Bühne betrat. In den Jahren zwischen 1750 und 1773 war sie ein wirklicher Star, eine gefeierte Sängerin. Ansonsten weiß man sehr wenig über das Leben von Rachel Baptist, die nach ihrer Heirat zuweilen auch ganz schlicht als Mrs Crow auftrat. Unzweifelhaft überliefert ist, dass sie eine Schwarze Frau war. Aus Afrika, wie manche Quellen behaupten? Aus der Karabik? Oder doch aus Irland, aus Dublin, wo sie ihre größten Triumphe feierte? Lücken über Lücken in der Biografie der wahrscheinlich einzigen farbigen Operndiva des 18. Jahrhunderts. Auch in London riss man sich um sie und gab ihr aufgrund ihres betörenden Gesangs den Beinamen "Black Syren" – "Schwarze Sirene".
Ob Rachel Baptists Kollegin und Vornamens-Vetterin Rachel Redmond ebenfalls in gelbe Seide gewandet war, als sie zusammen mit dem Irish Baroque Orchestra diese wunderschöne Aufnahme produzierte, ist nicht bekannt. Zu hören sind hier keine Bravournummern. Dafür Musik, die in ihrer Schlichtheit und Eleganz berührender und nahbarer ist als manches barocke Koloratur-Feuerwerk.
Rachel Redmond und Dirigent Peter Whelan haben sich auf die Spuren der damals so bejubelten, heute gänzlich vergessenen Sängerin Rachel Baptist gemacht und erforscht, mit welchen Programmen sie einst ihr Publikum verzaubert hat. Außer mit irischen Volksliedern trat sie wohl vor allem mit Werken von Georg Friedrich Händel und seinen Zeitgenossen wie beispielsweise Niccolò Pasquali auf. Dementsprechend setzt die Einspielung auf diese beiden Komponisten. Allerdings im Fall von Händel – und das ist ein weiterer Pluspunkt – nicht auf die tausendfach wiederholten Highlights, sondern auf etwas unbekanntere Kostbarkeiten. Etwa eine kleine Solo-Kantate, in der sich Rachel Redmond mühelos in die glanzvolle Jagdgöttin Diana verwandelt.
Unverkennbar ist die große Musikalität der Sängerin. Ihre sehr schlanke, manchmal fast kindliche Stimme ist Geschmackssache, aber gerade für dieses eher liedhafte Repertoire gut geeignet. Rachel Redmond wird vom Irish Baroque Orchestra – das übrigens auch prachtvolle instrumentale Einlagen einstreut – farbenreich und sicher getragen.
Nicht einmal Geburts- und Sterbejahr von Rachel Baptist sind überliefert. Diese schöne Aufnahme beschwört sie nun herauf aus dem Reich der Schatten und erinnert daran, dass vor mehr als 250 Jahren in Irland eine Diva Triumphe feierte: charismatisch und gehüllt in gelbe Seide.
Rachel Redmond, Sopran
Irish Baroque Orchestra
Peter Whelan, Leitung
Label: Linn | outhere music
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 8. September 2024, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK