Oft wurden und werden Alt-Stimmen von Männern gesungen, nur - warum wird der Sänger manchmal als Altist, manchmal als Altus, als Alt oder als Countertenor bezeichnet?
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Im Lateinischen meint "altus" sowohl hoch als auch tief, und so ist auch die Bezeichnung der Stimmlage Alt zu sehen, im Gesang wie auch bei Instrumenten. Im Französischen etwa heißt die Bratsche "alto", das Instrument, das tiefer ist als die Geige, aber höher als das Cello. Ignaz Franz Xaver Kürzinger, hochfürstlicher Capellmeister, schreibt dazu in seinem Buch "Getreuer Unterricht zum Singen mit Manieren", 1763 veröffentlicht:
"Alto, ist die Höhere von Mittelstimmen zwischen dem Sopran, der höchsten, und Basso der niedrigsten. Altist ist derjenige, der diese Stimme singt." Und führt weiter aus, wie zwischen Sopranist und Altist unterschieden wird: "Ob er wenigsten 4 Töne über das hohe E ohne Zwang hinauf erreichen, und also ein Sopraniste werden könne, sonst wäre er sogleich zum Alt anzuweisen." (Aus: Fr. X. Kürzinger: Getreuer Unterricht zum Singen mit Manieren, und die Violin zu spielen, 1763)
Alt-Stimmen können von Kindern gesungen werden oder von Frauen. Doch genauso von Männern, wenn sie entsprechend dafür ausgebildet sind. Bis zum Anfang des letzten Jahrhunderts gab es auch noch die Kastraten, die durch einen kleinen, aber weit reichenden medizinischen Eingriff ihre hohe Stimme auch über die Pubertät hinaus behielten. Heute wird ein erwachsener Sänger, der eine Alt-Stimme singt, oft Countertenor genannt oder synonym dazu schlicht "Alt" oder "Altus". Die Bezeichnung als Countertenor sagt allerdings nichts über den genauen Stimmumfang aus: es gibt auch Countertenöre, die in der Mezzosopran- oder Sopran-Lage singen. Eine weitere Abgrenzung der beiden Begriffe sieht der Sänger Matthias Rexrodt:
"Der Begriff "Altus" ist wie beim weiblichen Bereich, beim Mezzosopran, die Verbindung aus der (in meinem Bereich) Falsettstimme mit der Bruststimme, d. h. ich singe mit zwei Registern, die verbunden werden über das Passaggio, das ist genau der Übergang, wie bei einer Sanduhr: der obere Bereich ist das Falsett, dann kommt dieses kleine Zwischenstück, wo der Sand durchläuft, wo man aufpassen muss, dass man schön in die Bruststimme kommt, und dann geht's unten in der Bruststimme weiter. D. h. diese beiden Hälften, das ist wie beim weiblichen Alt oder Mezzosopran, eine Oberstimme und eine Unterstimme, verbunden durch dieses Passaggio. Und der Countertenor hat das eben nicht, der singt nur im Falsett, der hat nur die obere Hälfte. Das ist genau der Punkt, dass man diese beiden Stimmen schön verbindet, dass kein Bruch entsteht und man dadurch viel mehr Variations- und Ausdrucksmöglichkeiten erhält im heroischen Bereich und auch in der Einfühlsamkeit der Charakterisierung der Person." Matthias Rexroth, Altus
Die Bezeichnung Altus oder Alto findet sich schon früh, da steht dann bei der wichtigsten Stimme in mehrstimmigen Werken "Tenor" und die darüber liegende Stimme heißt "Contratenor Altus", die darunter liegende "Contratenor Bassus". Zwei Gegenstimmen zum Tenor. Später, etwa in den Stimmbüchern von Orlando di Lasso, wird die Stimme einfach "Altus" oder eben "Alto" genannt. In barocken Opern dann kommen unzählige Männerrollen vor, die in Alt-Lage singen, bis irgendwann die Hosenrolle in Mode kommt, also Frauen in hoher Lage Männerrollen singen. Auch Johann Sebastian Bach verwendet den Begriff "Alto", etwa in seiner h-Moll-Messe; die Partie wird heute manchmal von einer Frau gesungen, meist - zumindest im Bereich der historisch informierten Spielpraxis - aber doch von einem Mann, einem Altus.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 17. März 2019, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK