André Campra war der bedeutendste französische Opernkomponist zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Er verbindet die große Zeit Lullys mit der ebenso großen von Rameau. Als Mensch war er cholerisch und zynisch, doch als Komponist innovativ, vielseitig und erfolgreich.
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Das Stichwort vom 30. Juni 2019
André Campra
Als sich die glanzvolle Regentschaft des Sonnenkönigs Ludwig XIV. dem Ende zuneigte und seine bedeutendsten Künstler wie Moliere, Racine, Lebrun oder Lully bereits gestorben waren, kam Ende des 17. Jahrhunderts ein junger, unbekannter Komponist aus Südfrankreich nach Paris und stieg dort zum neuen Opernstar auf. Es war André Campra, sicherlich der bedeutendste französische Opernkomponist zwischen Jean-Baptiste Lully und Jean-Philippe Rameau.
Bereits Campras ersten beiden Bühnenwerke "L'Europe Galante" von 1697 und "Le Carnaval de Venice" von 1699 wurden ein Publikumserfolg und zeigten ihn als Meister der französischen Oper. Ganz nebenbei erfand er damit auch noch die neue, populäre Gattung des opéra-ballets. Was Campras rund 30 Opern, Ballette und Divertissements auszeichnet, ist eine Vermischung des alten französischen Stils à la Lully mit dem neuen italienischen Stil. Diese Ausdrucksart verwendete Campra auch für seine Kantaten, die in mehreren Büchern im Druck erschienen. Wenn auch manche Mitmenschen ihm vorwarfen, diese Werke seien zu opernhaft in ihren Effekten, so gilt Campra heute doch als einer der inspirierendsten Kantatenkomponisten seiner Zeit.
Von gleichem Rang und Umfang, wenn auch nicht so gut ediert, ist André Campras geistliches Werk. Seine Motetten und Psalmen sowie sein Requiem sind ebenfalls stark von seinem speziellen Opernstil beeinflusst. Geistliche und Weltliche Musik schuf Campra mit gleicher Leichtigkeit. Deshalb schwankte er immer wieder zwischen einer weltlichen und einer geistlichen Laufbahn. Seine ersten Opern veröffentlichte er sogar unter dem Namen seines Bruders Joseph, um seine Stelle als Leiter der Singschule von Notre Dame in Paris nicht zu verlieren. Und es gab immer wieder Phasen in Campras langem Leben, in denen er sich ausschließlich der Kirchenmusik widmete.
Seine musikalische Ausbildung erhielt André Campra bei seinem Vater, einem Arzt und Geiger, und als Chorknabe in Aix-en-Provence. Mit 18 Jahren erhielt er sogar die Priesterweihe, wurde aber entlassen, weil er an Theateraufführungen teilgenommen hatte. In den meisten seiner Stellungen blieb er nicht sehr lange, ob nun als maitre de musique in der Kathedrale von Arles, als Leiter der Singschule an der Kathedrale von Toulouse oder später als Kapellmeister der Académie Royale in Paris oder als sous-maitre der Königlichen Kapelle in Versailles. Denn Campras Charakter wird von Zeitgenossen als aufbrausend, zynisch und streitlustig beschrieben. Zudem soll er dem Alkohol stark zugeneigt gewesen sein. Dennoch war er in Paris bis ins hohe Alter von 82 Jahren in den verschiedensten musikalischen Führungspositionen tätig. Sein Werk zeichnet sich durch eine französisch-italienische Leichtigkeit und Schlichtheit aus.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 30. Juni 2019, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK