Andrea Gabrieli war derjenige Komponist, der die venezianische Mehrchörigkeit zu erster Blüte entwickelte - steht also fast synonym für Pracht und Größe. Aber nicht nur...
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„Die Musik von Andrea Gabrieli macht mehr als Spaß zu spielen. Es ist wirklich eine große, große, geistliche Freude".
Der so schwärmt, ist Bruce Dickey, seines Zeichens Zinkenist und Leiter von Concerto Palatino - und, wie man hört, großer Fan von Andrea Gabrieli. Dieser Komponist wurde 1532 oder 33, vermutlich in Venedig geboren, und war dort mit Anfang 20 wohl auch zwei Jahre Organist an seiner Heimatgemeinde. Für 1562 ist belegt, dass er mit mit der Münchner Hofkapelle unter Leitung von Orlando di Lasso auf Reisen war, und vermutlich 1566 wurde er schließlich zu einem der Organisten an der Basilika San Marco in Venedig gekürt - sein Traumjob, den er bis zu seinem Tod im August 1585 ausfüllen sollte.
Doch als Organist an San Marco hatte man seinerzeit nicht nur die Orgel zu schlagen, sondern auch zu komponieren. Und Andrea Gabrieli war diesbezüglich denn auch sehr produktiv - und vielseitig, was die Gattungen betraf, wie Bruce Dickey erklärt:
„Ich glaube, alles, was in seine Zeit üblich war und in Mode war hat er verwendet. Er war kein großer Innovator, wie Giovanni Gabrieli, sondern einer, der alles konsolidiert hat“.
So übernahm er beispielsweise von Adrian Willaert - bis 1562 Kapellmeister an San Marco - die Idee der Salmi spezzati, der geteilten Psalmen oder Chöre; sprich: Das, was man als Vorläufer der berühmten venezianischen Mehrchörigkeit betrachten kann. Und was vielleicht nur in der besonderen Akustik von San Marco entstehen konnte. Diese Praxis entwickelte Gabrieli dann weiter. Er kombinierte frankoflämische Einflüsse mit dem neuen italienischen stile concertato, arbeitete nicht mehr nur mit zwei, sondern oft mit drei oder gar vier Chören. Und während bei Willaert noch beide Chöre alle Stimmen für einen vollständigen Satz enthalten mussten, so war das Gabrieli egal: er spielte mit verschiedenen Chorbesetzungen, auch durchmischt mit Instrumenten, und dadurch mit Kontrasten klangfarblicher und rhythmischer Art, er experimentierte mit Echoeffekten, Dissonanzen und raschen Wechseln zwischen den Chören. Aber, merkt Dickey an:
„Ich würde sagen, dass Andrea Gabrieli ist nicht eine sehr persönliche Komponist, wo man sagen kann: ich kann seine Musik sofort erkennen. Er hat einfach all die Gattungen und Stile aus seiner Zeit genommen und mit großer Qualität darin gearbeitet. Aber ich würde viel eher ein Stück von Giovanni Gabrieli oder von Willaert vielleicht erkennen, als ein Stück von Andrea Gabrieli“.
Und auch als Persönlichkeit bleibt der Komponist merkwürdig unscharf: Sicher, man kennt - für das 16. Jahrhundert - gar nicht so wenige Daten aus seinem Leben. Und es sind immerhin sieben Messen, um die 120 geistliche Werke, an die 200 Madrigale und knapp 50 Werke für Tasteninstrumente erhalten. Doch über ihn als Mensch weiß man eigentlich nichts. Aber dennoch: Andrea Gabrielis Musik gehört ohne Zweifel zum Prachtvollsten, was einem praktizierenden Musiker widerfahren kann, wie Dickey wiederum schwärmt:
„Es ist für mich fast die größte Freude als Zinkenist, in eine schöne Kirche seine mehrchörige Musik zu spielen“
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 18. März 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK