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Conductus Vom Geleit-Gesang zur Kleriker-Kunst

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Am Anfang der Fünften Symphonie von Gustav Mahler steht als erster Satz ein Trauermarsch. Mit einer ungewöhnlichen Vortragsanweisung ist er überschrieben; sie lautet: "In gemessenem Schritt. Streng. Wie ein Kondukt." Vor allem im österreichischen Sprachraum bezeichnet das Wort Kondukt einen Begräbnis- oder Trauerzug. Seinen Ursprung hat es im lateinischen Verb "conducere", was führen oder geleiten bedeutet. Und von dieser Bedeutung rührt auch der musikalische Gattungsbegriff Conductus her. Denn in seiner Anfangszeit im frühen 12. Jahrhundert war der Conductus in der Tat eine vokale Begleit- oder Geleitmusik. Im Gottesdienst wurde er zum Beispiel gesungen, während der Diakon zum Lesepult schritt. In den theatralischen Geistlichen Spielen der Zeit intonierte man ihn beim Auf- oder Abtritt von Protagonisten.

Blütezeit um 1200

In seiner Blütezeit in den Jahrzehnten um 1200 löste sich der Conductus aus dem gottesdienstlichen Rahmen, blieb aber im Blick auf den Text geistlichen, in jedem Fall ernsten oder moralisierenden Inhalts. Seine Domäne lag dabei im Lebensbereich der Geistlichen jenseits der Liturgie - in Schule, Gemeinschaft und bei Festlichkeiten. Eine repräsentative Kleriker-Kunst. Neben diesem Funktionswandel konsolidierten sich auch Form und Faktur: Text und Melodie im Conductus sind stets neu erfunden und speisen sich - anders als im Organum - nicht aus präexistenten Choralbeständen. Im mehrstimmigen Conductus singen - anders als in der Motette - alle Stimmen denselben Text, wobei die meist strophisch gebauten Texte syllabisch artikuliert werden, das heißt auf jede Silbe kommt eine Note. Melismen werden nur zur Hervorhebung von Strophen- und Zeilenzäsuren eingesetzt.

Aufgesogen von der Motette

Mit der Verselbstständigung der Motette und ihrer Emanzipation von der Liturgie im weiteren Verlauf des 13. Jahrhunderts wurde der Conductus mehr oder weniger von dieser aufgesogen. Als eigene Gattung verschwand er. Lediglich im volkstümlichen Bereich setzte er sich fort in der Variante der Geistlichen Lieder in Deutschland und der Carols in England.

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 3. November 2019, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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