Darf man das eigentlich? Bach mit Jazz mixen – ist das jetzt respektlos oder ein genialer Wurf? Barock - Pop - Renaissance - Jazz: all das hat eben einen gemeinsamen Nenner, die Improvisation, und passt daher doch irgendwie zusammen.
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Das Stichwort vom 27. August 2017
Crossover
"Johann Sebastian Bach ist für mich der größte Komponist aller Zeiten. Ich hatte Schwierigkeiten, weil ich die Musik von Bach nicht stören wollte, ich wollte nicht schlecht spielen, aber ich hatte eine große Idee, das war Improvisation." Jacques Loussier
Jacques Loussier hatte die Chuzpe, die Musik von Bach zu nehmen und sie zu verjazzen, wie er hier in einem schon historischen Interview von 1976 erzählt, "Crossover" eben. Knapp 20 Jahre zuvor war seine erste "Play Bach"-CD erschienen. Bass, Schlagzeug und Piano, mit dieser Trio-Besetzung führte er den Barockkomponisten Bach in den Jazzkeller; später folgten Mozart, Schumann, auch Debussy oder Satie.
"Das ist nur eine andere Möglichkeit, dass die Musik von Bach kann machen. Die Konstruktion der Musik von Bach ist für Improvisation gemacht: es gibt ein Thema, sehr klar, und die Entwicklung könnte von Bach sein oder von einem anderen Musiker." Jacques Loussier
Da nimmt einer Musik aus längst vergangenen Epochen und gewandet sie im Stil der Jetzt-Zeit. Neu war die Idee freilich nicht: Brahms hat Variationen über ein Thema von Händel geschrieben. Vaughn Williams über das Volkslied "Greensleeves". Neu aber ist der Begriff "Crossover", der erst Mitte des 20. Jahrhunderts auftaucht, und sich zunächst auf Pop- und Rockmusik bezieht, später dann übernimmt ihn auch die so genannte Ernste Musik. "Crossover" bedeutet wörtlich übersetzt "Kreuzung" oder "Überführung". Das kann dann ganz unterschiedliche Endergebnisse bringen, wenn mal Renaissance in Jazz überführt oder Barock mit Pop gekreuzt wird. Und die können ganz unterschiedlich beim Zuhörer ankommen. Was den einen in Entzücken versetzt, treibt dem anderen die Tränen in die Augen. Zwischen genialer Kunst und profitorientiertem Kommerz ist alles vertreten.
Im Bereich der Alten Musik gibt es mittlerweile zahlreiche Musiker und Ensembles, die in der historisch informierten Ecke beheimatet sind, und die sich dann Musiker mit anderen Backgrounds zu gemeinsamen Projekten einladen. Christina Pluhar und ihr Ensemble "L'Arpeggiata" zählen zu den bekanntesten.
"Wir haben auch Lust, das Element Improvisation zu öffnen und uns zu öffnen und mit anderen Leuten zu kommunizieren, mit anderen Musikern, seien es Jazzmusiker oder Musiker aus der traditionellen Richtung, weil wir da so viele Anknüpfungspunkte finden zwischen unserer Musik und der Improvisationspraxis des 17. Jahrhunderts: der so genannte Basso ostinato, der im 17. Jahrhundert dazu verwendet wurde zu improvisieren. Das ist nicht sehr weit davon entfernt von einem Riff in einem Jazzstück oder in der traditionellen Musik eine harmonische Floskel, über der man improvisiert. Und da finden wir eben den Anknüpfungspunkt, um mit anderen Musikern aus anderen Musikstilen zu kommunizieren und eine neue Musik zu kreieren." Christina Pluhar
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 27. August 2017, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK