Jede Krise hat Auswirkungen auch auf die Kultur. Zwischen 1618 und 1648 tobte in Deutschland und den Nachbarländern ein Krieg, der vielen Musikern das Leben schwermachte, der manchem Komponisten aber auch Anregung war.
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Mit dem Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618 beginnt der Dreißigjährige Krieg. Konflikte und Machtkämpfe europäische Herrscherhäuser werden vor allem auf deutschem Boden ausgetragen. Wo immer die Heere Rast machen, plündern sie die Städte und Dörfer. Es ist die Bevölkerung, die für den Krieg bezahlen muss. Von dieser gefährlichen und unsteten Lage sind natürlich auch die Komponisten und Musiker betroffen. So wird der in Halle wirkende Samuel Scheidt arbeitslos, als sein Dienstherr vor Wallensteins Truppen fliehen muss. Wann immer möglich, sollen Heldenlieder die Taten der Herrscher verherrlichen, sie als siegreiche Fürsten und Friedensbringer feiern, wie etwa ein Loblied für Gustav Adolf, den berühmten Schwedenkönig.
Die Herrscher bestellen Huldigungsgesänge. Doch das kulturelle Leben in Deutschland ist fast völlig zerstört. Heinrich Schütz, der bedeutendste Komponist dieser Zeit, schreibt selbst, dass
"die löbliche Musik von den anhaltenden gefährlichen Kriegsläuften in unserem lieben Vaterlande teutscher Nation nicht allein in großes Abnehmen geraten, sondern an manchem Ort ganz niedergelegt worden ist."
Zwar war Heinrich Schütz Kapellmeister der damals führenden Hofkapelle in Dresden, doch auch er hatte sich zu bescheiden. Vor allem an Musikern wurde gespart. Dennoch veröffentlichte Schütz sein Hauptwerk in der Zeit des großen Krieges. Die "Symphoniae Sacrae" sind drei Bände voller Motetten und Konzerte für Sänger und Instrumentalisten, über lateinische und deutsche Bibeltexte sowie über Kirchenlied-Dichtungen.
WEG VON LATEIN, HIN ZUR DEUTSCHEN SPRACHE
Die Zeit des Dreißigjährigen Krieges ist eine Zeit des Um- aber auch des Aufbruchs. Zwei große Entwicklungen, 100 Jahre zuvor durch Martin Luther angestoßen, können sich zum Ende dieses Konfliktes etablieren. Die Kirchenteilung wird endgültig und die deutsche Sprache kulturfähig. Bedeutende deutschsprachige Kirchenlieder entstehen. Und kurz darauf der erste deutsche Roman. Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen lässt in der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch sein Alter Ego die Wirren des Krieges noch einmal durchleben:
"Die herrlichen Heldentaten wären höchlich zu rühmen, wenn sie nicht mit anderer Menschen Untergang und Schaden vollbracht worden wären. Was ist das aber für ein Lob, welches mit so vielem unschuldig vergossenem Menschenblut besudelt? Und was ist das für ein Adel, der mit so vieler Tausend andere Menschen verderben, erobert und zuwege gebracht worden ist?"
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 7. März 2010, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK