Herzog Philipp der Gute war den Künsten zugeneigt; so beschäftigte er etwa den Maler Jan van Eyck an seinem Hof in Burgund. Auch der vielleicht wichtigste Komponist seiner Zeit lebte dort, Gilles Binchois.
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Der Hof von Burgund war in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts das Kulturzentrum Europas: prachtvolle Tapisserien, kostbare Buchmalereien, edle Goldschmiedekunst und großartige Musik prägten das Hofleben. Noch heute bezeichnen Musikhistoriker diese Zeit als die "burgundische Epoche". Und der überragendste Komponist am Hofe des kunst- und luxusliebenden Philippes des Guten war Gilles Binchois. Neben John Dunstable und Guillaume Dufay zählt er zu den drei bedeutendsten Komponisten der Frührenaissance. Mehr als 30 Jahre lang schuf Gilles Binchois geistliche Messsätze und weltliche Chansons. Seine Musik war allen anderen Komponisten dieser Zeit Vorbild und Leitstern.
Binchois wird um 1400 in der heute belgischen Stadt Mons geboren und wächst in einem wohlhabenden Elternhaus auf. Sein Vater Jean ist Berater bei den Wittelsbachern und lässt den Sohn humanistisch erziehen. Dazu gehört auch eine Ausbildung zum Chorsänger und Organisten. 1423 quittiert Gilles seinen Dienst als Kantor in Mons, geht nach Lille und Paris, und heuert vier Jahre später in der Hofkapelle am Hof von Burgund an. Dort erfreut der Komponist seinen kunstsinnigen Dienstherrn Philippe den Guten mit Motetten und Balladen und wird von ihm dafür reichlich mit Pfründen belohnt, u.a. in Brügge, Mons und Cassel. Der gebildete und galante Höfling steigt immer höher in der Hierarchie auf, vom Honorarsekretär über den Sub-Diakon bis zum Propst in Soignies. Als Gilles Binchois dort nach einem erfüllten Leben am 20. September 1460 reich und berühmt stirbt, widmen die beiden berühmtesten Komponisten der Zeit, Johannes Ockeghem und Guillaume Dufay, ihrem geschätzten Kollegen und hochgeachteten Konkurrenten eigene Trauerkompositionen.
Außer dem Herzogtum Burgund sah Gilles Binchois wenig von der damaligen Welt, aber sein Werk verbreitete sich weit. In mehr als 50 Handschriften haben sich rund 60 seiner Lieder und 50 Sakralwerke erhalten. Auch wenn Dufay Binchois heute den Rang abgelaufen hat, weil dessen Musik mehr aus sich herausgeht, leichter zu erfassen ist und moderner klingt, gilt Gilles Binchois wegen seiner strengen Form und seiner graziösen, maßvollen und ausgefeilten Melodik als Vollender der Chanson der Frührenaissance. In eigenen Texten oder denen bekannter Dichter seiner Zeit befasst er sich fast ausschließlich mit dem Wesen der Liebe. Seine wunderschöne Ballade Dueil angoisseux nach einem Liebesgedicht von Christine de Pizan ist das wohl traurigste Lied des 15. Jahrhunderts.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 19. September 2010, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK