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Stichwort - Graindelavoix Experimentelles Alte Musik-Kollektiv in Antwerpen

Graindelavoix wurde 1999 von Björn Schmelzer gegründet und wird seitdem von ihm geleitet. Der Belgier ist nicht nur Musiker, seine Interessen und Studiengebiete umfassen überdies die Anthropologie und Musikethnologie. Das Fundament bildet allerdings auch bei diesem ungewöhnlichen Ensemble eine sehr umfassende historische Informiertheit.

Bildquelle: Charlie De Keersmaecker

Das Korn des Stimmklangs oder dessen Kern - aber auch die gekörnten, die körnigen Stimmen. Bei Graindelavoix ist der Name Programm. Nicht der Schönklang, nicht die gepflegte Stimmkultur steht im Vordergrund, die Sängerinnen und Sänger dürfen und sollen mit ganz persönlicher Stimmfärbung ihr subjektives emotionales Empfinden ausdrücken.

Graindelavoix wurde 1999 von Björn Schmelzer gegründet und wird seitdem von ihm geleitet. Der Belgier ist nicht nur Musiker, seine Interessen und Studiengebiete umfassen überdies die Anthropologie und Musikethnologie. Das Fundament bildet allerdings auch bei diesem ungewöhnlichen Ensemble eine sehr umfassende historische Informiertheit. Diese wird bei Graindelavoix zum Ausgangspunkt für einen experimentellen Ansatz, bei dem der eigentliche Vortrag der Musik im Zentrum steht. Die Aufführung wird Björn Schmelzer generell zu wenig berücksichtigt, wie er in einem Essay über die Philosophie von Graindelavoix schreibt:

"Um diesen notwendigen Zustand der Aufführung zu vermeiden, hat die Musikwissenschaft in Bezug auf Alte Musik den Akt des Musikmachens und die ihm innewohnende Kraft ignoriert (…). Stattdessen hat sie sich auf die elementaren notierten Versionen konzentriert und dabei schnell die Grundlage mit dem Wesentlichen verwechselt. Das ist so, als würde ein Kunsthistoriker nur über die Farbpigmente und die Vorbereitung der Leinwand sprechen und nicht darüber, auf welche Weise ein Renaissancegemälde auf den Betrachter wirkt."

Grafische Darstellung der Musik

Diese Wirkung möchte Björn Schmelzer mit Graindelavoix maximieren. Björn Schmelzer versteht die überlieferten Noten als Diagramme, also eine leicht fassbare grafische Darstellung der Musik. In diesen Diagrammen hat der Komponist Energie konserviert, die durch die Aufführung dann wieder freigesetzt wird.

"Ein besonderes savoire-faire ist nötig, um das Diagramm zu aktivieren und zu animieren, damit ein Transfer gewährleistet werden kann: So fließt die Vergangenheit in die Gegenwart."

Expressive Individualität der Sänger

Die Sänger und Sängerinnen von Graindelavoix haben keine im klassischen Sinn geschulten Stimmen. Sie kommen aus verschiedenen Kulturkreisen und bringen deren besondere Gesangstechniken, Ornamentierungen und Improvisationsgepflogenheiten ein. Damit tritt Björn Schmelzer in die Fußstapfen von Marcel Pérès, der diesen Stil in den 1980er Jahren begründete. Das resultierende heterogene Klangbild ist gleichzeitig die perfekte Voraussetzung für die größtmögliche Steigerung der expressiven Individualität der Sänger. Egal, ob in früheren Zeiten tatsächlich auf ähnliche Weise gesungen wurde, Björn Schmelzer erzeugt mit Graindelavoix immer wieder Musikmomente von beeindruckender Intensität.

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