Manch Komponist spezialisiert sich auf eine bestimmte Gattung und bringt es darin zur Meisterschaft. Hassler dagegen war ein Tausendsassa und schrieb geistlich und weltlich, simpel und kompliziert, ja sogar katholisch und evangelisch.
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Was für ein Kontrast: Auf der einen Seite: das Madrigal "Tanzen und Springen, Singen und Klingen". Komponiert um 1600. ist es längst zu einem Volkslied geworden. Fast jeder kennt es. Es wird von Gesangsvereinen wie von professionellen Vokalensembles gesungen.
Auf der anderen Seite: die zwölfstimmige Motette "Domine Dominus noster…" für drei Chöre zu je vier Stimmen - kunstvoll und ambitioniert, erhaben. Der Gegensatz zum "Ohrwurm" des Tanzliedes könnte größer nicht sein. Und doch stammen beide Stücke von ein und demselben Komponisten. Sein Name ist Hans Leo Hassler.
"Musicus inter Germanos sua aetate summus." ("Der größte deutsche Musiker seiner Zeit.") So wurde Hassler bezeichnet. Er entstammte einer Familie von Organisten aus Nürnberg. 1584 ging er als einer der ersten deutschen Komponisten nach Italien, wo er in Venedig Schüler von Andrea Gabrieli und Freund von Giovanni Gabrieli wurde. Ab 1586 wirkte er als Kammerorganist von Octavianus Fugger II. in Augsburg, leitete die Stadtpfeifer und konstruierte eine automatische Orgel. 1601 wurde er in Nürnberg Städtischer Musikdirektor und Organist an der Frauenkirche. Von 1602 bis 1608 lebte er in Ulm, wo er sich vor allem als Kaufmann betätigte. Ab 1608 war er bis zu seinem Tod Kammerorganist des Kurfürsten Christian II. von Sachsen in Dresden.
Hassler war gebildet und weltläufig, er sprach mehrere Sprachen fließend, und er war zudem und vor allem eine vielseitiger, geradezu polystilistischer Komponist. Sein Vokabular umfasste die gelehrte Polyphonie der Renaissance à la Orlando di Lasso, die frühbarocke venezianische Klangpracht à la Gabrieli, Musik für den lutherisch-protestantischen Gottesdienst und für die katholische Liturgie.
Hassler war von größter, nachhaltiger Wirkung auf die Nachgeborenen. Paradebeispiel hierfür ist Hasslers Liebeslied "Mein Gmüth ist mir verwirret, das macht ein Jungfrau zart". In der Adaption durch Johann Sebastian Bach und Paul Gerhardt wurde es zum Choral "O Haupt voll Blut und Wunden". Und machte Hassler unsterblich.
Sendungsthema aus "Forum Alte Musik" vom 18. Juli 2020, 22.05 Uhr auf BR-KLASSIK