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Historische Aufführungspraxis Zentraler Ansatz bei der Interpretation Alter Musik

Alte Musik heute zu spielen kann immer nur eine Annäherung an den Originalklang sein, an den Klang, wie er vor drei, vier, fünf Jahrhunderten einmal war. Intensive Forschung hilft, will aber auch nicht übertrieben werden.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Historische Aufführungspraxis, Originalklang, authentische Interpretation, performance on period instruments - alles Umschreibungen für ein Ziel: Die Musik so zu spielen, wie sie zur Zeit ihrer Entstehung geklungen hat.

Allein, da beginnen schon die Probleme. Erst seit der Erfindung des Phonographen 1877 können wir uns einen direkten Eindruck vom Klang der aufgenommenen Musik machen. Alles, was davor war, muss indirekt rekonstruiert werden. Dabei helfen den Musikern neben der wissenschaftlichen Edition und Erforschung der Notentexte vor allem drei Dinge:

DIE ALTEN INSTRUMENTE

Originalgetreue Baumaterialien und Klangerzeugung der Instrumente bilden das Bett, auf dem eine möglichst authentische Interpretation ruht. Einer der Pioniere der historischen Aufführungspraxis, Nikolaus Harnoncourt, berichtet:

Wir haben erstmal in den Museen Instrumente gefunden und auch anspielen können, die ganz anders waren, als die Instrumente, die wir kannten. Aber sie erzeugten wunderbar fremdartige Klänge, die ihren Platz in der Musik gehabt haben müssen.

ALTE LEHRBÜCHER

Traktate und Schriften von Musikern früherer Zeiten geben Auskunft über Spieltechnik und Verzierungspraxis.

DER KULTURELLE KONTEXT

Wo wurde die Musik gespielt? Bei welchen Anlässen? Welche Ausbildung und Stellung hatten die Musiker der Zeit? - Findet man das heraus, kann man die überlieferten Stücke ihren Aufführungsumständen wieder annähern. Die größte Gefahr der historischen Aufführungspraxis ist den Musikern selbst am meisten bewusst:

Wenn man da zu viel Wissen hineinsteckt, wenn man jeden Triller so spielt, wie er gemacht werden
, Nikolaus Harnoncourt

Ihren Anfang nahm die Originalklang-Bewegung 1905 in München. Damals entstand das erste deutsche Ensemble, das sich um eine möglichst stilgetreue Interpretation Alter Musik auf historischen Instrumenten bemühte: die "Deutsche Vereinigung für Alte Musik". Ein weiterer Meilenstein war die Gründung der Schola Cantorum Basilienis durch Paul Sacher im Jahr 1933 als akademische Ausbildungsstätte speziell für Alte Musik.

IM KONZERTLEBEN ANGEKOMMEN

In den 1950er Jahren stürmten junge Musiker mit ihrer historischen Musizierweise das traditionelle Konzertleben: in Wien Nikolaus Harnoncourt, in Amsterdam Gustav Leonhardt, in Köln die Capella coloniensis. Von da an wird die Szene größer, ihr übriges tun Schallplatte und Rundfunk, jedes Jahrzehnt bringt neue Trends - in den letzten Jahren etwa empfinden etliche Ensembles das Korsett der historischen Aufführungspraxis als zu eng: man will die Grenzen ausloten und verbindet die Alte Musik mit anderen "nicht-klassischen" Genres wie Folklore, Jazz, Improvisation oder Neuer Musik.

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 1. August 2010, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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