Woher sie kommt, weiß man nicht. Ihre Erfolgsgeschichte aber ist beeindruckend: Die Melodie "L'Homme armé" hat sich während der Renaissance zu einem der beliebtesten Cantus firmi entwickelt, und sogar heute noch gibt es Komponisten, die sie als Grundlage für neue Stücke verwenden.
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Johannes Ockeghem komponiert eine vierstimmige Messe, die er über einen Cantus firmus schreibt. Er hat sich dafür der Melodie zu "L'Homme armé" bedient, eines Soldatenliedes, das er in seiner Messe meist in der dritten Stimme einsetzt, manchmal aber auch, wie im Agnus Dei, in der tiefsten. Die L'Homme armé-Melodie ist vorhanden, wird aber durch die drei übrigen Stimmen verschleiert, passiert dort doch rhythmisch und melodisch weit mehr als im Cantus firmus, der seine Melodie relativ langsam singt.
"Den bewaffneten Mann muss man fürchten!
Man hat überall verkünden lassen,
dass jeder sich bewaffnen soll
mit einem Panzerhemd aus Eisen."
Woher das Lied "L'Homme armé" stammt, ist unklar, ob es ein Volkslied war, eine Chanson oder doch ein extra komponierter Cantus firmus. In jedem Fall fanden etliche Komponisten Gefallen an dieser Melodie: die Anzahl der Messen, die über sie geschrieben wurden, ist erstaunlich hoch. Da sind die Messen von Busnois und Dufay, von Compère, von de la Rue oder Josquin, von Palestrina, Tinctoris oder Senfl. Dazu noch die Messen von unbekannten Meistern.
L'Homme armé eignet sich bestens für eine kunstvolle Weiterverarbeitung: die dreiteilige Liedform strukturiert die gesamte Melodie. Anfangs- und Schlussteil kommen mit Tönen im Quintraum aus, der Mittelteil erweitert den Ambitus noch ein Stück nach oben. Und auch wenn man sie verändert bleibt sie sangbar, ob im Krebsgang oder in der Umkehrung.
Auch für weltliche Werke liefert "L'Homme armé" eine gute Vorlage. Guillaume Dufay etwa hat neben seiner Messe auch eine dreistimmige Chanson geschrieben. Zusätzlich zum bereits vorhandenen Text kommt noch ein neuer hinzu. Es bleibt martialisch.
"Von Euch wird er bekämpft werden,
der gefürchtete Türk, Meister Simon.
Daran gibt es keinen Zweifel,
und mit einer Axt erschlagen."
Neben den geistlichen und weltlichen Werken, die L'Homme armé als Cantus firmus einsetzen, sind auch einige wenige rein instrumentale überliefert.
Die meisten L'Homme armé-Werke stammen aus der Renaissance, doch gibt es bis heute Komponisten, die diese kurze, eingängige Melodie als Grundlage eigener Stücke nutzen: Johann Nepomuk David schrieb 1929 eine Fantasia super "L'Homme armé", 1946 entstanden die Variationen für Klavier von Ellis B. Kohs, im Jahr 2000 schließlich verfasste Karl Jenkins eine Messe.
"Man hat überall verkünden lassen,
dass jeder sich bewaffnen soll
mit einem Panzerhemd aus Eisen.
Den bewaffneten Mann muss man fürchten!"
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 5. August 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK