Singen mit Schluckauf: der Hoquetus ist ein musikalisches Stilmittel aus dem Mittelalter und laut zeitgenössischer Musikgelehrter nichts für zarte Gemüter.
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Das Stichwort vom 22. September 2019
Hoquetus
Das altfranzösische Wort hoquet hat wohl einen onomatopoetischen Ursprung, das heißt, es ist durch Nachahmung des Geräusches, das es beschreiben sollte, entstanden. In diesem Fall ging es um den Schluckauf. Ob das Wort "Hoquetus" tatsächlich darauf zurückzuführen ist, oder nicht lateinischen oder gar arabischen Ursprungs ist, darüber darf spekuliert werden. Fest steht: Das Bild vom Schluckauf passt ganz gut zu diesem kontrapunktischen Stilmittel, bei dem der musikalische Fluss immer wieder durch Pausen unterbrochen wird.
Dass die Musik trotz dieser vielen Unterbrechungen in den Einzelstimmen im Fluss bleibt, liegt daran, dass die Pausen sich gegenseitig überlagern. Immer wenn eine Stimme pausiert, springt die andere ein. Damit der Hoquetus funktioniert, war ein Notensystem nötig, das die Lage und Dauer der Noten in den jeweiligen Stimmen genau angeben kann. In letzter Präzision war das erst mit der Durchsetzung der sogenannten Mensuralnotation möglich. Entstanden ist der Hoquetus aber bereits während der Notre-Dame-Epoche im 13. Jahrhundert.
Die Komponisten, wie zum Beispiel Guillaume de Machaut, benutzten den Hoquetus meistens, um wichtige Stellen im Text zu kennzeichnen. Er konnte vokal oder instrumental ausgeführt werden, als Abschnitt in einem Musikstück vorkommen oder als selbstständige Gattung. Nach dem 14. Jahrhundert kam er wieder aus der Mode. Erst im 20. Jahrhundert wurde er als Kompositionstechnik wieder verwendet.
Zum Schluss noch ein Warnhinweis: Ganz unbedenklich scheint der Einsatz dieses musikalischen Stilmittels nicht zu sein. Glaubt man dem mittelalterlichen Musikgelehrten Johannes de Grocheo, dann ist der Hoquetus wegen seiner Beweglichkeit und Geschwindigkeit nur etwas für Choleriker und junge Leute.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 22. September 2019, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK