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Johannes Ockeghem Franko-flämischer Komponist und Sänger

Er steht wie kein anderer für die franko-flämische Kirchenmusik des 15. Jahrhunderts, hat Ockeghem doch das vermutlich erste vollständige Requiem komponiert, neben etlichen Messen und Motetten; er stellt sich somit neben Gilles Binchois und Josquin Desprez in die erste Reihe der Renaissance-Komponisten.

Bildquelle: Cantakukuruz

Von den Dichtern und Musiktheoretikern seiner Zeit wurde er in höchsten Tönen gelobt und geehrt. Johannes Ockeghem war als Musiker wie als Mensch offenbar eine außergewöhnliche Persönlichkeit. "Perle der Musik" wurde er genannt, "Blume der Musiker", und in den 1470er Jahren schrieb Francesco Florio über ihn:

"Fürwahr, man kommt nicht umhin, diesen Mann zu schätzen, so anziehend ist die Schönheit seiner Person, so bemerkenswert der Ernst seiner Rede und Moral, seine Liebenswürdigkeit. Allein er unter allen Sängern ist frei von Fehlern und reich an Tugend im Überfluss."

IM DIENST DES KÖNIGS UND DER KIRCHE

Über Ockeghems frühe Zeit ist wenig bekannt. Wohl in seiner Geburtsstadt Saint-Ghislain im heutigen Belgien wurde er zum Kapellknaben ausgebildet. 1443 ist er als Sänger in Antwerpen nachweisbar, ab 1446 gehörte er der Kapelle Karls von Bourbon in Moulains an, von 1451 bis zu seinem Tod stand er im Dienst der französischen Könige Karl VII., Ludwig XI. und Karl XIII. in Tours. "Maître de la Chapelle de Chant du Roi" - Direktor der königlichen Vokalkapelle, so lautete seit 1465 Ockeghems offizieller Titel. Er wurde von seinem Dienstherren geschätzt, profilierte sich in Tours auch als Schatzmeister und wurde 1470 sogar in diplomatischer Mission nach Spanien entsandt.

OCKEGHEMS REQUIEM - EIN BEEINDRUCKENDER MEILENSTEIN

Obwohl Ockeghem ein langes Leben beschieden war, ist sein kompositorisches Œuvre relativ schmal. Seine weltlichen Werke sind in der Mehrzahl Rondeaus, zum kleineren Teil Virelais. Ockeghems geistliche Musik umfasst zahlreiche Messen und Motetten, sein Requiem gilt als die erste vollständige Vertonung der Totenmesse überhaupt. Die Nachgeborenen sahen in Ockeghem vor allem den Inbegriff eines Komponisten, der in seiner Musik die subtilsten Kunststücke der kanonischen Schreibweise realisierte. Ein extremes Beispiel dafür ist das "Deo gratias". Es ist, man höre und staune, ein Kanon zu 36 Stimmen, in vier Chören zu je neun Stimmen; ein Meisterwerk atemberaubender polyphoner Satzkunst. Johannes Ockeghem - der größte Kontrapunktiker vor Bach.

MEISTER DER RENAISSANCEMUSIK

Neben Gilles Binchois und Josquin Desprez war Johannes Ockeghem der der größte Komponist des 15.Jahrhunderts, eine zentrale Figur unter den sogenannten ‚Niederländern', der franko-flämischen Schule der Renaissance. Deren polyphonen Stil entwickelte er nach allen Richtungen hin und wies damit den nachfolgenden Generationen den Weg zu jener klassischen Vokalpolyphonie, die über mehr als ein Jahrhundert die europäische Kompositionsgeschichte prägen sollte.

Sendungsthema aus "Forum Alte Musik" vom 19. Dezember 2020, 22.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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