Wir wollen unterhalten werden, lachen und staunen. Das ist heute nicht anders als in früheren Epochen. Im Mittelalter waren dafür die Jongleure zuständig, die viel mehr konnten als wir dieser Tage unter diesem Begriff verstehen.
Bildquelle: colourbox.com
Mit mindestens drei Bällen, Keulen oder sogar Messern, die wiederholt in die Luft geworfen und wieder aufgefangen werden, so dass mindestens einer sich immer in der Luft befindet – so kennen wir heute den Jongleur bzw. das Jonglieren. Eine Bewegungskunst als Teil der Artistik, ein Zirkuskünstler, jemand, der seine Kunstfertigkeit zur Schau stellt, ein Showmensch und Entertainer. Zwar ist "jonglieren" als Verb erst seit gut hundert Jahren gebräuchlich, die Wurzeln reichen aber weit zurück. Bis ins Lateinische zum "ioculator", dem Spaßmacher. Denn der mittelalterliche Jongleur war ein Gaukler, ein fahrender Spielmann, der Akrobatik und Zaubertricks vorführte; der gleichermaßen Geschichten erzählte und Lieder sang, der auch Musikinstrumente beherrschte und zum Tanze aufspielte. Kurz: die Kunst der Unterhaltung in ihrer ganzen Bandbreite.
Gut angesehen war das fahrende Volk, die Spielleute und Sänger, diese losen und verlotterten Gesellen, die von der Hand in den Mund lebten, nun wahrlich nicht. Sie wurden der Unehrlichkeit, der Sittenlosigkeit und auch der dämonischen Künste für verdächtig gehalten. Auch wenn sie es waren, die die Neuigkeiten in die Dörfer brachten und für Abwechslung und Ablenkung vom oft harten Alltag sorgten. Aber auch diese Spielleute drängten zunehmend in die an Bedeutung gewinnenden Städte, versprachen sie sich hier doch bessere Verdienstmöglichkeiten und Lebensbedingungen. Erste Berufsgruppen entstanden, wie die Nikolaibruderschaft in Wien oder die Confrérie de St. Julien in Paris, und allmählich wurde das Image besser, wovon Wilhelm Joseph von Wasielewski 1869 in "Die Violine und ihre Meister" berichtet:
"Die Institution der Confrérie de St. Julien bildete sich allmählich aus jenen Spielleuten hervor, die des Erwerbes halber im Lande umherzogen, insbesondere aber gern in Paris ihr Wesen trieben. Auch scheint es, dass diese Leute und was sonst noch an Jongleuren und Gauklern zu ihnen gehörte, dort frühzeitig begünstigt wurden. So war ihnen schon seit Mitte des 13. Jahrhunderts das Vorrecht eingeräumt worden, den noch heute existierenden, in der Nähe der Notre-Dame-Kirche gelegenen Petit-Pont, an welchem ehedem vom Publikum ein Brückenzoll erhoben wurde, frei passieren zu dürfen." (W. J. von Wasielewski: "Die Violine und ihre Meister")
Doch blieb immer eine Kluft bestehen zwischen den Unterhaltungskünstlern und den seriösen Musikern, die bei Hof angestellt waren oder im Dienste der Geistlichkeit. Worauf im Grunde genommen durchaus noch die heutige Einteilung in E- und U-Musik zurückgeht. Dann wären also unsere Stars, die die großen Rock- und Pop-Bühnen bevölkern, die weltweit über Bildschirme flimmern und durch Zeitschriften wie Internet Klatsch und Tratsch verbreiten, die Nachfahren der Gaukler. Verzeihung: der Jongleure.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 15. Februar 2015, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK