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Luigi Boccherini Ein Italiener in Madrid

Er ist der bedeutendste Vertreter der italienischen Instrumentalmusik des 18. Jahrhunderts nach Vivaldi: Luigi Boccherini, der Einzelgänger aus Lucca, der nach Spanien ging und dort seinen ganz eigenen Stil kultivierte.

Bildquelle: © Wiki commons gemeinfrei

Bei vielen genießt Boccherini immer noch lediglich den zweifelhaften Ruhm, "nur" der Komponist jenes notorischen Menuetts aus dem Streichquintett E-Dur op. 11, Nr. 5 zu sein. Als Filmmusik in Orson Welles' "The Magnificient Ambersons" und in Alexander Mackendricks "Ladykillers" erlangte es in der Nachkriegszeit phänomenale Popularität. Für die breite Masse wurde Boccherinis Musik dabei allerdings auch zum Synonym für eine altmodisch-beschauliche Plüschkultur. Und für Praxis und Forschung der musikalischen Hochkultur jener Zeit war der Komponist ohnehin noch lediglich eine Randerscheinung im Schatten seiner Zeitgenossen Haydn und Mozart.

Im topographischen Abseits

Heute weiß man es besser, hat erkannt, dass Boccherini mit einer musikalischen Stimme spricht, die so kraftvoll, eigenständig und originell ist wie die von Haydn oder Mozart. Aus dem Abseits kam sie allein in topographischer Hinsicht: Verbrachte doch der Italiener mehr als die Hälfte seines Lebens in Spanien, jenseits der damals tonangebenden Musikmetropolen in Österreich, Italien, Frankreich und England.

Für den spanischen und preußischen Hof

Wie später Puccini wurde Boccherini in Lucca geboren, und zwar am 19. Februar 1743. Nach Reisejahren, die ihn als cellospielenden Solisten und Kammermusiker durch viele Städte Italiens, nach Wien und Paris geführt hatten, kam er 1768 nach Valencia und trat dann als Kammervirtuose und Hofkomponist in den Dienst des Infanten Don Luis in Madrid. Spanien hat er nicht mehr verlassen, doch komponierte er regelmäßig Quartette und Quintette für den preußischen Hof und erhielt dafür von König Friedrich Wilhelm dem Zweiten den Titel und die Besoldung eines Hofkomponisten.

Jenseits von Haydn und Mozart

Als er am 28. Mai 1805 verstarb, hatte der Italiener in Madrid rund fünfhundert Werke komponiert: dreißig Symphonien, zehn Cellokonzerte und die nach Hunderten zählenden Streichquartette, Streichquintette und Gitarrenquintette. Sie weisen Boccherini als den führenden italienischen Instrumentalkomponisten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus. Stilistisch kümmerte er sich wenig um den diskursiven Stil der Wiener Klassik. Er war fest verwurzelt in der italienischen Streichertradition und Belcanto-Kantabilität, und er war offen für die iberische Folklore. Das Kulinarische von eingängiger Melodik und rhythmischem Schwung sind Markenzeichen von Boccherinis Tonsprache. Ein Gedankenspiel des Pariser Geigers Jean-Baptiste Cartier brachte es wohl auf den Punkt: "Wollte Gott zu den Menschen in Musik sprechen, so täte er es mit den Werken Haydns, doch wenn er selbst Musik zu hören wünschte, würde er Boccherini wählen."

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" am 16. Juli 2017, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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