Am 2. Oktober wird Ton Koopman 75 Jahre alt. Als Dirigent, Organist, Cembalist und Hochschullehrer zählt der Niederländer zu den prominentesten Vertretern der Historischen Aufführungspraxis und kann auf eine ebenso lange wie reiche Karriere zurückblicken. Und Dogmatismus ist dem humorvollen Koopman bis heute fremd geblieben.
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Seine Liebe zu Johann Sebastian Bach brachte Ton Koopman zu seinem wohl umfassendsten CD-Projekt: der Gesamtaufnahme aller Bach-Kantaten. Dafür wurde er unter anderem mit dem deutschen Schallplattenpreis und 1997 mit dem ECHO Klassik ausgezeichnet. "Die Musik von Bach ist nie langweilig", sagt Koopman. "Sie ist immer toll, immer unerwartet, immer diffizil. Nie zu vergessen, worin der Geist der Musik besteht. Dass es Kirchenmusik ist, dass die Musik eine Botschaft hat – das habe ich immer unglaublich schön gefunden." Seit Mai dieses Jahres ist Koopman auch Präsident der Stiftung des Leipziger Bach-Archivs.
Als studierter Organist und Cembalist war es eigentlich nicht sein Plan, Dirigent zu werden. Nie hatte Ton Koopman dafür eine Unterrichtsstunde genommen. Beim Musizieren konnte er aber manche Passagen nicht auf dem Cembalo spielen. Dann musste er aufstehen und die Leitung übernehmen. "Ich glaube, man muss als Dirigent wirklich primus inter pares sein. Der erste, der zusammen mit den Kollegen und Freunden versucht, zu musizieren. Bei dieser Arbeitsweise ist Musik Harmonie."
Ich glaube, man muss als Dirigent wirklich primus inter pares sein.
Als ihn 1983 plötzlich die Nachricht erreichte, dass Harnoncourt nicht dirigieren konnte, übernahm er spontan die Leitung von Bachs "Matthäus-Passion" mit dem renommierten Amsterdamer Concertgebouw Orkest. Seitdem hat er auch den Geschmack am Dirigieren gefunden und konzertiert mit berühmten Orchestern wie den Berliner, New Yorker oder Münchner Philharmonikern.
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Bach: Meine Seel erhebt den Herren, BWV 10 (Ton Koopman, Amsterdam Baroque Orchestra & Choir)
Ton Koopman | Bildquelle: Eddy Posthuma de Boer "Ich finde nie ein schöneres Cembalo als meines", schwärmt Ton Kopman über sein Instrument. "Ein holländischer Cembalo-Bauer, der nicht mehr arbeitet, hat neun Instrumente für mich gebaut und eines ist noch schöner als das Andere." Wenn möglich nimmt Ton Koopman am liebsten sein eigenes Cembalo mit auf Konzertreise. Sein erstes Barockorchester gründete er vor nunmehr 50 Jahren, 1969: Die Musica Antiqua Amsterdam. Damals war er 25 Jahre alt. Und die alte Barockmusikszene war zu dieser Zeit ebenfalls noch sehr jung.
"Wir waren doch ein bisschen revolutionär", erinnert sich Koopman. "Wir können nicht nur sagen, dass wir die Musik übernehmen, denn wir sind keine Urheber: Wir haben das nicht komponiert, wir dürfen die Musik aufführen, aber mit einer gewissen Werkgetreue, wie Harnoncourt das nennt. Es war eine ganz schöne Zeit. Wir waren überzeugt, dass es anders sein muss. Aber damals sagten die älteren Generationen im Concertgebouw: Ihr mit euren alten Instrumenten, ihr träumt. Ihr habt eine Idee aber ihr habt keine Technik. Und wir sagten: Ihr habt viel Technik aber keine Idee. Da ging es ziemlich scharf zu."
Doch mit der Zeit haben sich die beiden Seiten dann angefreundet und musizieren jetzt auch gemeinsam im selben Saal. "Ich finde, im Moment ist es interessant zu sehen, wie weit man diese Klangwelt nähren kann. Man ist interessiert, auf eine andere Art zu denken. Nicht mehr nur Vibrato, nur Volumen, sondern auch flexibler zu sein. Das ist eine interessante Symbiose, die zwischen diesen beiden Teilen entstanden ist, die so weit voneinander entfernt waren."
Das von Ton Koopman gegründete Ensemble "Amsterdam Baroque Orchestra and Choir" wird weltweit geschätzt und tritt regelmäßig in den großen Konzertsälen wie dem Musikverein und dem Konzerthaus in Wien, der Royal Albert Hall in London oder der Carnegie Hall in New York auf. Und natürlich auch im Concertgebouw in Amsterdam.
Sendung: "Allegro" am 02. Oktober 2019 ab 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK