Wien, 23. Dezember 1806. Beethovens Violinkonzert wird uraufgeführt. Der Saal des Theaters an der Wien ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Wenn der Geigenvirtuose und Orchesterdirektor Franz Clement seine Musikalische Akademie veranstaltet, darf man sich das als Wiener eben nicht entgehen lassen. Hinter der Bühne macht sich der 26-jährige Clement bereit für seinen Auftritt. Normalerweise ist er bei Solokonzerten die Ruhe selbst, immerhin stand er schon mit neun als Wunderkind auf dem Podium.
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Heute jedoch ist Clement ungewöhnlich angespannt. "Ist ja auch klar", denkt er sich. "Beethoven hat mir immerhin erst vor 48 Stunden die Noten seines neuen Violinkonzerts in die Hand gedrückt." Zugegeben, er hat das Konzert auch ziemlich kurzfristig in Auftrag gegeben. Als Höhepunkt seines Konzerts sozusagen. "Und nun habe ich nicht mal genug Zeit, um alle Stellen zu proben." Da muss Clement jetzt durch. Mit souveräner Haltung betritt er die Bühne, nickt seinen Orchesterkollegen zu und gibt den Einsatz.
Clement ist hochkonzentriert. Der Solopart ist nämlich gespickt mit kniffligen virtuosen Passagen. Bisher läuft auch alles glatt. Trotzdem spürt der Geiger, wie das Publikum immer unruhiger wird. Kein Wunder, der erste Satz dauert ja schon knapp 25 Minuten, viel länger als bei Violinkonzerten sonst üblich. Clement befürchtet das Schlimmste für den Rest des Konzerts: "Wenn das so weitergeht, schlafen die mir im langsamen zweiten Satz noch ein!"
Clement beschließt, die Zuhörer mit einer kleinen Einlage wieder wachzurütteln. Nach dem ersten Satz dreht er seine Geige einfach mit den Saiten nach unten und improvisiert eine Kadenz. Das Publikum ist schwer beeindruckt, das Konzert scheint gerettet. Und der Musikkritiker der Wiener Theaterzeitung ist mal wieder hin und weg von Clement: "Man empfing besonders Clements bewährte Kunst und Anmut, seine Stärke und Sicherheit auf der Violine mit lärmenden Bravo."
Nur Beethovens Violinkonzert selbst wird kein Publikums-Hit. Nach der Uraufführung ist in der Presse zu lesen: "Über Beethovens Concert ist das Urtheil von Kennern ungeteilt, es gesteht demselben manche Schönheit zu, bekennt aber, daß der Zusammenhang oft ganz zerrissen scheine, und daß die unendlichen Wiederholungen einiger gemeinen Stellen leicht ermüden könnten." So kam es, dass Beethovens einziges Violinkonzert in den Folgejahren kaum aufgeführt wurde. Erst 1844 schaffte das Konzert den Durchbruch. In London, mit Joseph Joachim an der Geige und Felix Mendelssohn-Bartholdy als Dirigent. Nur schade, dass Beethoven und Clement diesen Erfolg nicht mehr erlebten.
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Beethoven - Violinkonzert D-Dur op. 61 | Emmanuel Tjeknavorian | WDR Sinfonieorchester
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Sendung: "Allegro" am 23. Dezember 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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