Das Borusan Philharmonic Orchestra wurde Ende der 90er Jahre gegründet und spielte lange Zeit eher unbemerkt von der Klassikszene. Das will das privat finanzierte Orchester mit seinem Chefdirigenten Sascha Goetzel jetzt ändern.
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Acht Uhr abends, mitten auf der Istiklal, der trubeligsten Straße in Istanbul, reiht sich Bar an Touristen-Shop. Hier wird Tee serviert und auf dem Gehweg Granatapfelsaft gemixt. Es ist laut und das Gedränge ist groß. Ein Haus fällt ganz besonders auf an diesem Abend: Es ist ein historisches, schmales Gebäude und jedes der sechs Stockwerke ist in einer anderen Farbe ausgeleuchtet. Das Borusan Music House. An diesem Abend findet hier ein Konzert des französischen Klavierduos Katia und Marielle Labeque statt. Gemeinsam mit dem jungen Komponisten David Chalmin und dessen Band widmen sie einen Abend der Minimal Music. Das Borusan Music House kennen sie schon von früheren Besuchen. Es sei lustig, erzählt Katja Labeque, denn als sie mit ihrer Schwester dort klassisches Repertoire gespielt habe, sei es nicht voll gewesen.
Das klassische Publikum kommt hier nicht her, eher die jungen Leute.
Das Borusan Music House ist kein gewöhnlicher Konzertsaal. Es ist eher eine Art zusammengeschrumpftes Museum mit Lichtinstallation und einigen Kunstwerken, Stahltreppen und Plexiglaswänden. Das Haus gehört der türkischen Borusan Familie, die mit ihrer Borusan Holding als Mischkonzern normalerweise in Stahl, Autos und Energie investiert. Nebenbei ist das Unternehmen aber sehr kulturaffin und leistet sich nicht nur das clubartige Music House, wo viel moderne Musik, oft auch Jazz gespielt wird, sondern auch ein eigenes Symphonieorchester: das Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra.
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Der Konzertsaal im "Borusan Music House" in Istanbul | Bildquelle: BORUSAN MÜZIK EVI
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Das "Borusan Music House" in Istanbul | Bildquelle: BORUSAN MÜZIK EVI
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Katia & Marielle Labèque | Bildquelle: BMHI/Özge Balkal
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Katia & Marielle Labèque | Bildquelle: BMHI/Özge Balkal
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BIPO und Sascha Goetzel spielen bei Borusan ihre zweite CD ein. | Bildquelle: BMHI
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Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra in Wien | Bildquelle: Ozge Balkan
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Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra in Wien | Bildquelle: Ozge Balkan
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Borusan Music House Istanbul | Bildquelle: BMHI/Ahmet Ertug
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Im Borusan Music House sitzt bloß die Verwaltung des 1999 gegründeten Orchesters. Die Musiker selbst müssen für die Konzerte in Istanbuls große Mehrzweckhallen ausweichen, zum Beispiel ins Istanbul Lütfi Kırdar, ein Kongresszentrum, dessen Akustik leider heftig zu wünschen übrig lässt. Früher wurden hier Ringerwettbewerbe ausgetragen. Dafür trägt die Musik aber nicht mal bis in die vier Ecken des Raumes. Die türkische Regierung macht sich wenig aus der klassischen Musikszene. Selbst wenn die Borusan Holding das Geld für einen neuen Konzertsaal in die Hand nähme, bräuchte es immer noch eine Baugenehmigung vom Staat, und die ist schwer zu bekommen, in dieser Stadt, in der Tradition mit voller Wucht auf Modernität prallt.
Ich glaube, dass das Orchester einen Beitrag leisten kann zur internationalen Klassikszene.
Zumindest musikalisch aber mischt das Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra die türkische Musikszene ordentlich auf. Nicht zuletzt dank Sascha Goetzel, der seit 2008 Chefdirigent des Orchesters ist. Mehrmals im Monat wird der Österreicher zu Proben nach Istanbul eingeflogen und will das Orchester auch im internationalen Konzertleben etablieren: "Ich glaube, dass das Orchester einen Beitrag leisten kann zur internationalen Klassikszene, der so in der Form bis jetzt noch nicht stattgefunden hat. Es ist das erste Orchester aus diesem Teil von Europa bzw. dem nahen Orient, das quasi eine eigene Tonsprache entwickelt hat."
Ihr Leben bringen die Musiker des Borusan Orchesters in ihre Konzertprogramme mit ein, zwischen zwei Welten, auf zwei Kontinenten, zwischen modernem, energiegeladen europäischen Lifestyle und den traditionellen türkischen Werten. Das könnte auch in der europäischen Klassikszene ihr Markenzeichen werden. Sascha Goetzel: "Ich glaube, dass das Istanbul Borusan Philharmonic Orchestra einen riesigen Beitrag dazu leisten kann, dass Kunst und Musik allgemein, als Sprache für den Frieden und eine positive Zukunft vermittelt werden kann.“
18. Februar 2016: Meistersingerhalle Nürnberg
Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra
Solist: Vadim Repin, Geige
Leitung: Sascha Goetzel
Erwin Schulhoff: Ogelala. Ballettmysterium op. 53
Max Bruch: Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 g-Moll, op. 26
Nikolai Rimski-Korsakow: Scheherazade, op. 35 - Symphonische Suite nach "1001 Nacht"