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28. Januar 2018 Der Gitarrist Coco Schumann stirbt

Swing war seine Leidenschaft - und mit Swing überlebte er das KZ Theresienstadt. Viel später, als er nach langem Schweigen seine Autobiographie verfasste, wurde der Gitarrist Coco Schumann zum vielbeachteten Zeitzeugen.

Bildquelle: proton Musikagentur

28. Januar 2018

Der Gitarrist Coco Schumann stirbt

Ich bin ein Musiker, der im KZ war - und kein KZler, der Musik macht.
Coco Schumann

Das war ein Satz, den der Berliner Gitarrist Coco Schumann Hunderte Male sagte. In seiner Jugend hatte Heinz Jakob Schumann – wie er eigentlich hieß - den Swing für sich entdeckt und noch als Minderjähriger in Berliner Bars und Tanzclubs Geld mit der Musik verdient, die ihn so bewegte.

Von Anfang an dem Swing verfallen

Schon als Zwölfjähriger hatte er sich Nächte um die Ohren geschlagen für diese Töne, die so anders waren als das stramme Deutschland. Im nationalsozialistischen Regime waren sie "entartete Musik" – die gleichzeitig gern zu Propagandazwecken benutzt wurde. Coco Schumann kam lange Zeit über die Runden. Doch 1943: die Verhaftung. Dafür gab es, wie er selbst sagte, drei Gründe: "Ich bin erstens Jude. Zweitens bin ich minderjährig. Und drittens spiele ich Swing."

"La Paloma" als Begleitmusik zum Morden

Erste Station: Theresienstadt, das Vorzeigeghetto, mit dem die Machthaber eine heile Welt vorgaukeln wollten. Dort spielte Schumann bei den „Ghetto-Swingern“ Schlagzeug. 1944 schließlich: Deportation nach Auschwitz. An der Todesrampe mussten Schumann und andere Musiker dieses Lied spielen: "La paloma" war Begleitmusik zum Massenmord. Die Melodie könne nichts dafür, sagte Schumann später, und spielte das Lied auch nach dem Krieg noch. Ein anderer Satz von ihm besagte: Wir machten in der Hölle Musik.

Ich bin erstens Jude, zweitens bin ich minderjährig, und drittens spiel' ich Swing.
Coco Schumann

Pionier der E-Gitarre und Zeitzeuge

Coco Schumann kam frei. Er wurde 1945 nach Kaufering, unweit Münchens, verschleppt und später auf einem Marsch Richtung Innsbruck von Amerikanern befreit. Nach dem Krieg war er einer der ersten in Deutschland, die E-Gitarre spielten. Über die KZ-Jahre sprach er lange Zeit nicht. Erst 1997, mit seiner Autobiographie "Der Ghetto-Swinger", wurde er zum vielbeachteten Zeitzeugen. Noch über zwanzig Jahre swingte dieser beseelte Musiker dann weiter – und starb im Januar 2018 mit 93 Jahren.

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