Wien, 23. November 1997. Die Konzertankündigung las sich eigentlich normal: "Gulda plays Mozart, Bach & Gulda". Aber die Uhrzeit irritiert: halb zehn am Abend, noch dazu an einem Sonntag. Was hat er sich da wieder ausgedacht?
Bildquelle: picture-alliance/dpa
Im Konzerthaus Wien konnte man Friedrich Gulda schon oft erleben, er kennt es natürlich bestens. In Wien wird er geboren, 1930 ist das, und in Wien spielt er die ersten Töne auf dem Klavier, wird Student an der Reichshochschule für Musik. Gemeinsam mit seinen Studienkollegen spielt er zum ersten Mal im Konzerthaus. Es folgen dort fast 100 Konzerte.
Mit 16 Jahren gewinnt Gulda den Genfer Klavierwettbewerb. Der Beginn seiner Weltkarriere. Als 17-Jähriger gibt er sein Debüt als Solist mit den Wiener Symphonikern, im Großen Saal im Wiener Konzerthaus, er spielt Beethovens 4. Klavierkonzert.
Beethoven, klar, und Mozart, sowieso. Doch die Klassik alleine reicht Gulda nicht; er wendet sich dem Jazz zu, gründet sein Euro-Jazzorchester, und auch mit diesem Programm spielt er im Konzerthaus Wien. Und dann kommt die richtig wilde Phase, die Techno-Phase. Er, der mittlerweile alte Mann mit den bunten Ethno-Hüten, spannt den Bogen von der Klassik zum Dancefloor.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Gulda Mozartiana 1
Wer an jenem 23. November 1997 einen Klavierabend erwartet hatte mit Musik von Mozart, Bach und, ja, dann auch ein bisschen was Modernes vom Interpreten persönlich, der dürfte sich gewundert haben, sehr gewundert. "The Gulda Experience" heißt das Programm. Friedrich Gulda hat Verstärkung mitgebracht, diesmal sind das die DJs Pippi und Vertigo, vier Gogo-Girls und die Schauspielerin Doris Schretzmayer. Die Stühle im Parkett hat er rausräumen lassen, hier wird jetzt getanzt. Wer partout nicht will, geht halt auf die Ränge. Eine große Leinwand ist aufgebaut, da läuft Guldas Film "Mozartiana", gespielt wird Mozart, Bach, und eben Gulda, ein wilder Mix. Und das Publikum tanzt und erholt sich zwischendurch an der Theke im hinteren Teil des Parketts.
Es ist Friedrich Guldas letztes Gastspiel im Wiener Konzerthaus.
Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 13:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.
Sendung: "Allegro" am 23. November 2021 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK