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Mythos oder Wahrheit - Stradivari & Co Klingen alte Geigen wirklich besser?

Sie sind ein Mythos: die alten Instrumente von Stradivari, Guarneri & Co. Welcher Geiger träumt nicht davon, eines dieser kostbaren Exemplare zu besitzen? Aber klingen sie wirklich besser als moderne Geigen? Blindtests lassen daran zweifeln. Erkennen Sie den Unterschied? Machen Sie den Test!

Stradivari-Violine von 1716 auf Notenblättern | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Sie schimmert rötlich-braun, mit einem feinen Stich ins Gelb. Die geheime Rezeptur des Lacks konnten Forscher erst vor wenigen Jahren entschlüsseln. Darunter zeichnet sich die filigrane Holzmaserung ab. Dazu die perfekte Form von Schnecke und F-Löchern. Schon rein optisch ist diese Geige ein einzigartiges Kunstwerk. Noch dazu umgibt sie die Aura, eines jener wenigen Exemplare aus einer längst vergangenen Geigenbau-Ära zu sein, die bis heute als unübertroffen gilt.

Arabella Steinbacher | Bildquelle: Sammy Hart Arabella Steinbacher spielt auf der "Booth"-Stradivari aus dem Jahr 1716. | Bildquelle: Sammy Hart Die Geige von Arabella Steinbacher ist alt. Sehr alt. Mehr als 300 Jahre. Antonio Stradivari hat sie 1716 in Cremona erschaffen. "An dieser Geige schätze ich vor allem, dass ihr dieser sehr brillante, typische Stradivari-Klang eigen ist, sie aber gleichzeitig auch etwas sehr Volles und Tiefes hat", schwärmt Arabella Steinbacher. Seit zwölf Jahren ist das wertvolle Instrument ihr treuer Begleiter.

Natürlich gehört die Stradivari ihr nicht selbst. Meistens sind diese alten Instrumente Leihgaben von Banken oder Stiftungen. Sie sind oft mehrere Millionen Euro wert. Aber klingen sie deshalb wirklich besser als neue Geigen?

Stradivari - ein entzauberter Mythos?

Immer wieder sorgen Blindtests für Aufsehen. Bei diesen Untersuchungen spielen Musiker verschiedene Instrumente an - mit verbundenen Augen oder für andere unsichtbar hinter einem Vorhang. So soll sicher gestellt werden, dass der Klang unvoreingenommen beurteilt werden kann. Erst vor einigen Monaten wurde wieder ein solcher Blindtest durchgeführt - mit einem überraschenden Ergebnis.

Test zeigt: neue Geigen besitzen mehr Tragfähigkeit

Diesmal war das Publikum gefragt. Sowohl in Paris als auch in New York wurden fachkundigen Zuhörern jeweils drei alte und drei neue Geigen von professionellen Musikern vorgeführt. Heraus kam, dass ein Großteil der Hörer den modernen Instrumenten ein größeres Durchsetzungsvermögen attestierte als den alten. Die Probanden hörten jeweils dieselbe Phrase auf zwei verschiedenen Instrumenten.

Hören Sie den Unterschied? (Auflösung am Ende des Artikels)

Arabella Steinbacher findet solche Tests zwar interessant, gibt aber auch nicht allzu viel darauf. "Ich würde sagen, meine Geige ist am Ohr gar nicht so furchtbar laut, aber die hat ein unglaubliches Durchsetzungsvermögen. Die hat so eine Strahlkraft, dass man selbst die leisesten Töne bis in die letzten Reihen hört." Deshalb bezweifelt Steinbacher, ob solche Tests wirklich aussagekräftig sind.

Ich glaube nicht, dass neue Geigen wirklich lauter sind als alte.
Arabella Steinbacher

Die Frage, welche Instrumente im Konzertsaal besser tragen, wollte die französische Akustikerin Claudia Fritz aber genau mit dieser Studie beantworten. Nur: lässt sich aus dem Ergebnis wirklich etwas Allgemeingültiges ableiten?

Zufall oder repräsentatives Ergebnis?

Bereits bei einem früheren Blindtest, dessen Ergebnisse Claudia Fritz 2012 veröffentlichte, schnitten die neuen Geigen besser ab als die alten. Damals hatten Musiker alte und moderne Instrumente in einem Hotelzimmer getestet. Im Nachhinein wurde kritisiert, dass die Akustik eines Hotelzimmers nichts mit der realen Konzertsituation zu tun hätte. Deshalb fand der nächste Blindtest im Konzertsaal statt - und mit Publikum.

Stradivari Ausstellung | Bildquelle: picture-alliance / maxppp Streng bewacht: Instrumente von Antonio Stradivari | Bildquelle: picture-alliance / maxppp Dass das Ergebnis bei einer Auswahl von nur sechs Instrumenten natürlich nicht wirklich repräsentativ ist, muss auch Claudia Fritz zugeben. Allerdings gibt sie zu Bedenken: "Die alten Instrumente wurden uns von Besitzern geliehen, die sie für gute Stradivari-Exemplare hielten. Die These, dass alte Geigen besser tragen, ist einfach sehr stark. Aber wenn dem wirklich so wäre, hätte uns doch etwas an diesen Geigen auffallen müssen." Für Claudia Fritz ist dieser Mythos also nicht haltbar, so ihr Fazit.

Blindtests kritisch unter der Lupe

Grundsätzlich ist die Frage, wie aussagekräftig solche Tests sind, nur schwer zu beantworten. Allein neutrale Rahmenbedingungen zu schaffen ist schwierig. Neben der begrenzten Auswahl an Instrumenten spielen unter anderem Faktoren wir die Wahl des Geigenbogens eine nicht zu unterschätzende Rolle. Jeder Geiger weiß, dass ein und dasselbe Instrument mit einem anderen Bogen völlig anders klingen kann. Auch darf bezweifelt werden, ob ein Musiker aus einem Instrument, mit dem er nicht vertraut ist, auf Anhieb das Optimum der klanglichen Möglichkeiten schöpfen kann.

Stradivaris - nicht für den großen Konzertsaal gebaut?

Unterstützt wurde Claudia Fritz bei ihrem Test von Joseph Curtis, Geigenbauer aus New York. Obwohl Instrumente heute überwiegend nach dem Vorbild der alten Italiener angefertigt werden, gibt er zu bedenken, dass man damals in der Regel andere Bögen und Saiten verwendete als heute. Und noch etwas falle im Unterschied zu modernen Geigen auf, so Curtis: das Holz sei damals im Durchschnitt etwas dünner gehobelt worden. "Wenn man die Decke eines Instrumentes dünner ausarbeitet, wird der Klang dunkler", erklärt Curtis. "Ich vermute, dass viele alte italienische Geigen einen weicheren, dunkleren Klang haben, der sehr schön sein kann. Die Frage ist aber, ob der Klang auch wirklich im Konzertsaal trägt."

Lassen sich Durchsetzungsvermögen und Klang eines Instruments wirklich an so wenigen baulichen Faktoren festmachen? Oder sind sie nicht vielmehr von Instrument zu Instrument verschieden?

Es muss nicht immer ein alter Italiener sein.
Christian Tetzlaff

Christian Tetzlaff | Bildquelle: © Giorgia Bertazzi Christian Tetzlaff spielt ein modernes Instrument von Stefan-Peter Greiner. | Bildquelle: © Giorgia Bertazzi Ein Künstler, der seit Jahren auf neuen Geigen musiziert, ist Christian Tetzlaff. Er spielt derzeit bereits seine dritte Geige von Stefan-Peter Greiner und ist sehr glücklich mit dieser Wahl. Von Blindtests hält er persönlich sehr wenig. "Aus den letzten drei Blindtests mit ganz gesichertem psychologischem Hintergrund wissen wir, dass es grundsätzliche Unterschiede in Qualität oder Klangart zwischen alten und modernen Geigen nicht gibt", so Tetzlaff. "Mal hat eine moderne Geige den für alle besten Klang gehabt und mal eine alte. Mal ist eine Stradivari auf dem letzten Platz gelandet, und mal eine moderne irgendwo weit hinten. Für mich sind diese Dinge alle ganz egal. Ich hab ein Instrument gefunden jetzt, mit dem ich eigentlich alles erzählen kann, was ich möchte."

Alt oder neu - auch eine Kostenfrage

Alte Instrumente wie die von Stradivari oder Guarneri sind oft mehrere Millionen Euro wert. Eine moderne, neu gebaute Meistergeige wie die von Stefan-Peter Greiner hingegen kostet nur zwischen 50.000 und 60.000 Euro. Angesichts dieses preislichen Unterschiedes kann man als Musiker schon nachdenklich werden.

(Auflösung: Klangbeispiel 1 = Stradivari, Klangbeispiel 2 = moderne Geige)

Sendung: "Allegro" am 11. Januar 2018 ab 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Freitag, 22.Dezember, 15:58 Uhr

Roman Bonfig

Blindtest Stradivarius gegen neue Geige

Natürlich kann man am Computer bzw. IPhone keine wirklichen Unterschiede feststellen.
Trotzdem hörte man den Unterschied, haha , die erste ( Stradivarius ) klang natürlicher , weil der Geiger sich bei der neuen Geige hörbar bemühte noch lauter zu spielen...

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