Leben und Tod, Jüngstes Gericht und Auferstehung - es sind die existenziellen Fragen des menschlichen Daseins, die Mahler zu seiner Zweiten Symphonie inspirierten. Ein Mammutwerk! Heute wird die Original-Partitur im traditionsreichen Londoner Auktionshaus Sotheby's versteigert - für mehr Geld, als jemals für ein Musikmanuskript bezahlt wurde.
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Alles beginnt mit einer düsteren Totenfeier. Nach der Fischpredigt des heiligen Antonius kommt im "Urlicht" die menschliche Stimme zu Wort. Es folgt das Jüngste Gericht - unter Mitwirkung eines Fernorchesters - und schließlich gipfelt alles in der Auferstehung. Gustav Mahlers Symphonie Nr. 2 trägt ihren Beinamen zurecht. Die "Auferstehungssymphonie" ist ein monumentales Werk mit riesiger Besetzung. Gigantisch ist auch der Preis für Mahlers Originalpartitur.
Bildquelle: picture-alliance/dpa Für mindestens 3,5 Millionen Pfund soll die Partitur verkauft werden. Das entspricht einer Summe von umgerechnet knapp 4,1 Millionen Euro. Die 232 Seiten umfassende Original-Partitur enthält auch Änderungen und Kommentare, die Gustav Mahler eigenhändig eingetragen hat. Sie ist im Originalzustand erhalten - weder beschnitten noch gebunden. Gigantische Summen wurden für derartige Dokumente bereits in der Vergangenheit bezahlt. Der höchste Preis, der bislang für Notenmanuskripte bezahlt wurde, war 2,93 Millionen Euro - für Partituren einiger früher Mozart-Symphonien. Das liegt fast 30 Jahre zurück. Auf immerhin 1,76 Millionen Euro brachte es 1994 das Manuskript von Robert Schumanns Zweiter Symphonie. Mahlers Partitur soll nun einen neuen Rekord erzielen. Bis vor kurzem war das Manuskript noch im Privatbesitz eines großen Mahler-Fans.
Nachdem Mahler gestorben war, vermachte seine Witwe Alma das Manuskript der Zweiten Symphonie dem holländischen Dirigenten Willem Mengelberg, der mit Mahler befreundet gewesen war und sich stets für dessen Musik eingesetzt hatte. In den 1980er Jahren kaufte dann der US-amerikanische Geschäftsmann Gilbert Kaplan das Manuskript der Mengelberg-Stiftung ab. 1965 hatte er die Symphonie in der Carnegie Hall zum ersten Mal gehört. Seitdem war er so besessen von dem Werk, dass er das Dirigieren erlernte. Dadurch wollte er die Symphonie noch besser verstehen lernen.
Diese Musik traf mich wie ein Blitz.
Mahlers "Auferstehungssymphonie" blieb praktisch das einzige Werk, das Gilbert Kaplan jemals aufführte. Dafür tat er das umso gründlicher: Mehr als 100 Mal brachte Kaplan das Werk in drei Jahrzehnten auf die Bühne - unter anderem bei den Salzburger Festspielen, im Wiener Musikverein und 2006 mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
"Ich war 25 Jahre alt, als ich Mahlers Zweite Symphonie zum ersten Mal hörte. Als ich nach dem Konzert den Saal verließ, war ich ein anderer Mensch als vorher. Für Musik hatte ich mich zwar immer schon interessiert, aber diese Musik hat mich regelrecht an sich gedrückt. Als ich sie zum ersten Mal hörte, fühlte ich mich, als ob ein Blitz mitten durch mich hindurch gegangen wäre."
Gilbert Kaplan im Interview mit BR-KLASSIK, April 2006
Im Januar 2016 starb Gilbert Kaplan mit 74 Jahren. Nun ist Mahlers Manuskript wieder zu haben. Am 29. November ist es soweit: Das Londoner Auktionshaus Sotheby's bietet die Partitur zum Kauf an.