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Jenny Daviet über Messiaens "Poèmes pour Mi" "Es gibt eigentlich keine schönere Liebeserklärung"

Am 14. und 15. Februar gibt die französische Sopranistin Jenny Daviet ihr Debüt beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Unter der Leitung von Kent Nagano singt sie Olivier Messiaens frühen Liederzyklus "Poèmes pour Mi" – ein Werk, dessen Leidenschaft und Spiritualität sie tief berührt, wie sie im Interview verrät.

Die Sopranistin Jenny Daviet | Bildquelle: François Merlier

Bildquelle: François Merlier

BR-KLASSIK: Jenny Daviet, Sie sind zum ersten Mal in München, und gerade war Ihre erste Probe. Wie waren Ihre ersten Eindrücke von der Zusammenarbeit mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks?

Jenny Daviet: Das ist ein ganz großer Moment für mich. Dieses Orchester ist einfach fantastisch, einen solchen Klang habe ich noch nie gehört. Sie hören ganz genau auf jede Nuance, die ich versuche, mit meiner Stimme umzusetzen. Wenn ich ihnen morgen andere Klangfarben präsentierte, würden sie sicherlich genauso sensibel darauf reagieren wie heute.

Kammermusik mit 100 Musikern

BR-KLASSIK: Das heißt, Sie können auf Anhieb wie Kammermusikpartner zusammenarbeiten?

Jenny Daviet: Genauso ist es. Wir machen hier Kammermusik mit ungefähr 100 Musikern. Da rückt man ganz nah zusammen. Alle Musiker hören sehr aufmerksam zu.

BR-KLASSIK: Messiaen schrieb die "Poèmes pour Mi" ursprünglich für Gesang und Klavier. Wie verschmelzen Ihrer Meinung nach die Singstimme und die Orchesterfarben miteinander?

Jenny Daviet: Der Klavierauszug und die Partitur haben überhaupt nichts miteinander zu tun. Ich könnte mir vorstellen, dass die Fassung für Gesang und Klavier ein erster Entwurf war. Jedenfalls spricht mich die Orchesterversion viel mehr an.

Alle Stadien im Leben eines Liebespaars

BR-KLASSIK: Und rein sängerisch betrachtet: Wie komponiert Messiaen denn für Stimme – oder, konkreter gefragt: für Ihre Stimme?

Jenny Daviet: Messiaen hat die Gesangspartie eigentlich für einen dramatischen Sopran geschrieben. Das bin ich natürlich nicht. Ich glaube aber, dass es hier mehr um den Klang der Worte geht. Messiaen hat ja auch die Gedichte selbst geschrieben und wahrscheinlich – als Synästhet – mit jedem Wort auch eine Farbe verbunden.

BR-KLASSIK: Das heißt, man spürt deutlich, dass der Komponist auch der Dichter war?

Die Sopranistin Jenny Daviet | Bildquelle: François Merlier Jenny Daviet | Bildquelle: François Merlier Jenny Daviet: Ja, absolut. Dieses Werk ist doch seiner Frau gewidmet. Es gibt eigentlich keine schönere Liebeserklärung. Sie konnte sich glücklich schätzen, dass ihr Mann ihr Gedichte und die Musik dazu geschrieben hat. Dieses Werk ist auf der einen Seite sehr konkret, weil es für eine bestimmte Person komponiert wurde. Zugleich ist es wegen seiner tiefen Frömmigkeit auch überaus spirituell. Messiaen beschreibt hier alle Stadien im Leben eines Liebespaars: vorher, währenddessen und nachher. Das ist unglaublich. Vielleicht hatte er zu diesem Stück mehr eine spirituelle denn eine emotionale Beziehung.

Für dieses Stück braucht man wirklich eine Menge Energie und Engagement.
Jenny Daviet

Trancezustand mit Messiaen

BR-KLASSIK: Diese neun Lieder haben ja auch eine spezielle Dramaturgie. Es gibt sehr transzendente Passagen, aber auch dramatische Tableaus. Wie müssen Sie da mit Ihrer Stimme und mit Ihrer Energie umgehen?

Jenny Daviet: Das ist eine sehr kluge Frage, denn für dieses Stück braucht man wirklich eine Menge Energie und Engagement. Messiaens Musik erfordert immerzu allerhöchste Konzentration. Man darf sich nicht eine Sekunde treiben lassen, sonst fliegt man raus. Und man kann auch zu keinem Zeitpunkt mit seiner Energie haushalten. Doch zugleich befindet man sich in einer Art Trancezustand. Man muss zwar konzentriert singen, aber weil man sich dem Orchesterklang hingegeben kann, wird es im Endeffekt doch nicht so anstrengend. Jedenfalls fühlte ich mich am Ende der Probe kein bisschen ermüdet.

Genau der richtige Zeitpunkt

BR-KLASSIK: In Rouen, wo Sie lange an der Oper Ensemblemitglied waren, sangen Sie die klassischen Opernrollen bis zum frühen 20. Jahrhundert, auch ganz viel Mozart. Jetzt Messiaen – ist das ein Repertoire, das Sie besonders anspricht?

Jenny Daviet: Ich fühle mich schon sehr von der Musik vom Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang der 20. Jahrhunderts angezogen. Dieses Repertoire ist irgendwie schwierig und faszinierend zugleich. Messiaens Musik war mir lange Zeit zu kompliziert. Aber als ich diese Anfrage erhielt, habe ich nicht eine Sekunde gezögert und sie sofort angenommen. Das war dann wohl genau der richtige Zeitpunkt dafür. Dazu kommt, dass ich sehr daran interessiert bin, in Deutschland aufzutreten. Die Kultur hier übt eine gewisse Anziehung auf mich aus. Die Möglichkeit, Messiaen in Deutschland zu singen, erschien mir ideal, um wieder hierher zu kommen und vielleicht auch etwas länger zu bleiben.

Sendung: "PausenZeichen" am 15. Februar 2019, ca. 20.40 Uhr auf BR-KLASSIK

Infos zum Konzert

Donnerstag, 14. Februar 2019, 20:00 Uhr
Freitag, 15. Februar 2019, 20:00 Uhr


München, Herkulessaal der Residenz

Olivier Messiaen:
Poèmes pour Mi - Fassung für Sopran und Orchester
Hector Berlioz:
Symphonie fantastique (Episode de la vie d'un artiste), op. 14

Jenny Daviet (Sopran)
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Kent Nagano

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