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Zum 30. Todestag von Herbert von Karajan Seine besten Aufnahmen

Berlin, Wien und Salzburg – das sind die Orte, die man mit Herbert von Karajan sofort in Verbindung bringt. An diesen Wirkungsstätten entstanden einige seiner schönsten Aufnahmen. Aber auch in Paris und London hat der österreichische Dirigent seinen musikalischen Fingerabdruck hinterlassen. BR-KLASSIK stellt zehn seiner besten Aufnahmen vor.

Herbert von Karajan | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

30 Jahre nach Herbert von Karajans Tod ist fast in Vergessenheit geraten, dass der Dirigent über lange Zeit auch mit dem Orchester der Mailänder Scala verbunden war, dass er um 1950 mit den Wiener Symphonikern und um 1970 mit dem Orchestre de Paris intensiv zusammenarbeitete. Und dass er mit dem Philharmonia Orchestra London bereits zwischen 1948 und 1960 einen großen Teil seines Repertoires zum ersten Mal einspielte. Alle genannten Orchester haben einen Platz in diesem Listicle mit Karajans zehn besten Aufnahmen.

Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 4 B-Dur op. 60

Nach Wilhelm Furtwänglers Tod im Jahr 1954 war es im Grunde klar, dass nur Herbert von Karajan als Nachfolger in der Position des Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker in Frage kam. Karajan nahm "mit tausend Freuden" an und übernahm damit zugleich von seinem Vorgänger die Rolle des Schlüsselinterpreten in der Aufführungsgeschichte der großen deutschen Klassiker.

In der Folge hat Karajan so oft wie kein anderer den Zyklus der neun Beethoven-Symphonien komplett aufgenommen: ein Mal mit dem Philharmonia Orchestra Anfang der 50er Jahre und drei Mal mit den Berliner Philharmonikern - Anfang der 60er Jahre, Mitte der 70er Jahre und Anfang der 80er Jahre. In Karajans Lesart verbinden sich die besten Eigenschaften von Toscaninis und Furtwänglers Beethoven mit seinem eigenen Ansatz zu temporeichen, tiefsinnigen und klanggestylten Interpretationen. Die 4. Symphonie, die für Karajan übrigens die heikelste und schwierigste war, ist in der Berliner Aufnahme vom November 1962 gleichermaßen so spritzig und leicht wie voller Kraft und Wumm.

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Beethoven - Symphony No. 4 in B-flat major, op. 60 | Bildquelle: oppie47 (via YouTube)

Beethoven - Symphony No. 4 in B-flat major, op. 60

Robert Schumann: Symphonie Nr. 4 d-Moll op. 120

Von Herbert von Karajans zeitweiser intensiver Zusammenarbeit mit den Wiener Symphonikern ist nur wenig auf Tonträger dokumentiert. Neben dem Soundtrack aus Wagnerschen Opernausschnitten im Arrangement von Heinrich Sutermeister für den Kinofilm "Ludwig II." von 1955 gibt es zwei außergewöhnliche Produktionen: die Aufnahme von Tschaikowskys b-Moll-Klavierkonzert mit Swjatoslaw Richter als Solisten von 1962 und die 1965 gedrehte Verfilmung einer Studio-Aufführung von Schumanns 4. Symphonie plus vorangehender Probenarbeit in der Regie von Henri-Georges Clouzot, dem Regisseur des legendären Kino-Welterfolgs "Lohn der Angst".

Für  Schumanns "Vierte" hatte Karajan eine besondere Vorliebe – keine andere der vier Symphonien des Komponisten hat er so häufig aufgeführt und eingespielt wie dieses robuste, kompakte Stück "in einem Satz". Und die Aufnahme mit den Wiener Symphonikern ist wohl in der Dichte und Intensität die faszinierendste und aufregendste. Von atemberaubender Rasanz: die "Wirbelwind-Coda" am Ende des Finales.

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Schumann 4. Symphony Karajan, Wiener Symphoniker | Bildquelle: Ph W (via YouTube)

Schumann 4. Symphony Karajan, Wiener Symphoniker

Herbert von Karajan und die Wiener Symphoniker proben die Symphonie Nr. 4 d-Moll op. 120 von Robert Schumann

Die Vorbereitung der Aufführung demonstriert eindringlich Karajans konzentrierte und detailverliebte Probenarbeit. Und sie straft alle Klischees von Schumanns angeblich unzulänglicher Orchestrierungskunst Lügen. So wurde die Verdopplung der Flöte durch die ersten Violinen an einer Stelle in der langsamen Einleitung vielfach als "zu dick" und kaum durchhörbar gescholten. Dabei muss der Dirigent nur mit solchen Stellen richtig umzugehen wissen: Karajan lässt die Violinen an der Stelle einfach auf dem Griffbrett spielen, nimmt dadurch dem Geigenklang die Obertöne und verleiht so dem Klangbild in maximaler Klarheit gleichermaßen die Farbe der Flöte wie der Violinen. Karajan – der Regisseur des magischen Klangs.

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Die Kunst des Dirigierens, Schumann 4.Symphony Rehearsal Karajan | Bildquelle: Ph W (via YouTube)

Die Kunst des Dirigierens, Schumann 4.Symphony Rehearsal Karajan

Antonín Dvořák: Symphonie Nr. 8 G-Dur op. 88

Das auf Schallplatte dokumentierte Dvořák-Repertoire Karajans ist nur klein und selektiv: die 8. und 9. Symphonie, das Scherzo capriccioso, die Streicherserenade, das Cellokonzert, eine Handvoll Slawischer Tänze – sonst nichts. Keine der anderen sieben Symphonien, keines der anderen Solokonzerte, keine der Symphonischen Dichtungen.

Was wir aber an Aufnahmen haben, das ist erste Wahl. Zumal die Slawischen Tänze mit den Berliner Philharmonikern und die zweite und dritte der drei Aufnahmen der 8. Symphonie mit den Wiener Philharmonikern. Die eine ist ein Live-Mitschnitt vom August 1974 bei den Salzburger Festspielen, die andere eine Wiener Studioproduktion vom Januar 1985. Alles ist in beiden Aufnahmen hoch inspiriert und engagiert ausgespielt: die Lyrik der poetischen Stimmungen, der voranstürmende Impetus der Allegro-Passagen, die Drastik der Tschaikowsky-nahen Partien und vor allem der so unwiderstehliche wie unüberbietbare nobel-graziöse Schwung des böhmischen Walzers im dritten Satz.

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Dvořák: Symphony No.8 in G major - Karajan / Wiener Philharmoniker | Bildquelle: fur bru (via YouTube)

Dvořák: Symphony No.8 in G major - Karajan / Wiener Philharmoniker

Peter Tschaikowsky: "1812", Ouverture solennelle op. 49

Die Musik Peter Tschaikowskys gehörte zu den großen Konstanten in Karajans Konzert- und Aufnahmetätigkeit. Außer der unnummerierten "Manfred-Symphonie" hat er alle sechs Symphonien des Komponisten eingespielt. Wobei die "Fünfte" im Konzertsaal wie im Aufnahmestudio als sein bevorzugtes "Cheval de Bataille" (Schlachtross) figurierte, wie der Karajan-Biograph Richard Osborne schrieb. Hinzu kamen die Streicherserenade, das b-Moll-Klavierkonzert, das Violinkonzert, die Rokoko-Variationen, die Ballettsuiten und separate Orchesterstücke.

Unter diesen kann die zweite Aufnahme der Ouvertüre "1812" mit den Berliner Philharmonikern vom Oktober 1966 den Rang des Einzigartigen beanspruchen. Nicht nur wegen des athletischen Schwungs und der Schlagkraft des Musizierens, sondern vor allem wegen der originellen Variante, die Karajan für den Anfang wählte: Den eröffnenden Bittgesang der russisch-orthodoxen Kirche "Gott, bewahre Dein Volk" ließ Karajan vom seinerzeit weltberühmten Don-Kosaken-Chor unter Sergej Jarow singen.

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Tchaikovsky  1812 Overture, Op  49 Herbert Von Karajan & Berlin Philharmonic Orchestra | Bildquelle: Isaac Bader (via YouTube)

Tchaikovsky 1812 Overture, Op 49 Herbert Von Karajan & Berlin Philharmonic Orchestra

Alexis-Emmanuel Chabrier: "España”, Rhapsodie für Orchester

Chabriers beliebte Orchesterrhapsodie "España", ein prominentes Beispiel für die französische Spanien-Begeisterung vor Debussy und Ravel, steht in Karajans Diskographie merkwürdigerweise im Hintergrund. Dabei hat er das Stück viermal aufgenommen. Allerdings niemals für die Deutsche Grammophon und nur einmal, im Jahr 1978, mit den Berliner Philharmonikern. Die anderen drei Aufnahmen entstanden alle in der frühen Nachkriegszeit für EMI: 1947 mit den Wiener Philharmonikern sowie 1953 und 1960 jeweils mit dem Philharmonia Orchestra London.

Die Produktion vom September 1960 ist eine Non-Plus-Ultra-Einspielung des musikalische Funken sprühenden, orchestral hochvirtuosen Smash-Hits. Das Tempo ist beispiellos schnell, der Zugriff packend und feurig, und gegen Ende trumpft der Solo-Trompeter frech und verwegen mit Vibrato-schmachtender "spanisch-mexikanischer" Artikulation auf. Karajan und das Philharmonia Orchestra in bester Stimmung.

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Herbert Von Karajan - Espana | Bildquelle: Hossam Shawky (via YouTube)

Herbert Von Karajan - Espana

Gustav Mahler: Symphonie Nr. 5 cis-Moll

Bis in die 1970er Jahre hinein dirigierte Karajan kein einziges Werk von Gustav Mahler. Seine Begründung: Bevor er sich an eine Mahler-Symphonie heranwagen konnte, wollte er zuerst die Berliner Philharmonikern mit dem Repertoire an Musik vollständig vertraut machen, das Mahlers Symphonik gewissermaßen rezipiert. Nämlich die gesamte Musik von Haydn und Mozart bis Brahms und Tschaikowsky, Wagner und Verdi. Das war ein Argument. Böse Stimmen behaupteten freilich, Karajan wollte vor allem auf der gewaltigen Welle der Mahler-Begeisterung mitreiten, die Leonard Bernstein mit seinen Aufführungen und Aufnahmen und Luchino Visconti mit seinem Film "Tod in Venedig" losgetreten hatten.

1973 begann Karajan damit, für die Deutsche Grammophon mit den Berliner Philharmonikern Musik von Mahler aufzunehmen: die 4., 5., 6. und 9. Symphonie und "Das Lied von der Erde" sowie die "Kindertotenlieder" und "Rückert-Lieder" mit Christa Ludwig. Die Einspielung der "Fünften" vom Februar 1973 ist ein großer Wurf: musikalisch-technisch perfekt, in Schönheit und Ausdruck überwältigend, dabei bissig und bezaubernd, beklemmend und begeisternd zugleich. Und für das quälend schöne Adagietto fand Karajan genau das "Tempo giusto" – nicht zu schnell und nicht zu langsam.

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Gustav Mahler - Symphony No. 5 | Herbert von Karajan | Bildquelle: Adagio (via YouTube)

Gustav Mahler - Symphony No. 5 | Herbert von Karajan

Franz Schmidt: Intermezzo aus "Notre Dame"

Franz Schmidt war ein phänomenales musikalisches Universalgenie: Komponist, Solo-Cellist der Wiener Philharmoniker in der Ära Gustav Mahlers, dazu auch ein professioneller Pianist und Dirigent sowie später Professor an der (heutigen) Wiener Universität für Musik, an der Karajan zu seinen Studenten zählte. Als Komponist war Schmidt im Grunde ein "One-Hit-Wonder" – wirklich berühmt und bekannt wurde von ihm nur ein einziges Stück: das Intermezzo aus seiner Romantischen Oper "Notre Dame" nach Victor Hugos Roman über den Glöckner der Kathedrale.

Karajan hat dieses Sehnsuchts-trunkene, rauschhaft klangsinnliche Intermezzo seines Kompositionslehrers dreimal aufgenommen: 1959 mit dem Philharmonia Orchestra und 1967 und 1981 mit den Berliner Philharmonikern. Die mittlere Einspielung hat den Status einer Referenzaufnahme. Unter der Leitung Karajans, dem viel beschworenen Klang-Magier, wird die Musik zu einem Glanzstück der Entfaltung eines volltönenden, an Intensität kaum noch zu überbietenden Streicherklanges, zumal der Violinen, die in höchsten Höhen schier endlos weite Klangräume ausschreiten. Karajan à la Mantovani– auf höchstem philharmonischen Niveau.

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Schmidt: Notre Dame - Intermezzo | Bildquelle: Berlin Philharmonic Orchestra - Topic (via YouTube)

Schmidt: Notre Dame - Intermezzo

Maurice Ravel: Alborada del Gracioso

Wer als Dirigent eine attraktive französische Ehefrau hat, der sollte auch ein prominentes französisches Orchester haben. So dachte wohl Karajan – seit 1958 mit dem ehemaligen Dior-Mannequin Eliette Mouret verheiratet –, als er 1968 mit dem erst kurz zuvor gegründeten Orchestre de Paris eine Verbindung als "Conseiller musical" (Musikalischer Berater) einging. Anders als die Ehe mit Eliette war die Liaison mit dem Orchestre de Paris nur eine Episode. Sie währte lediglich bis 1971.

Gleichwohl verdanken wir ihr Einspielungen von Werken, die Karajan ansonsten mit keinem anderen Orchester aufnahm: die d-Moll-Symphonie von César Franck sowie eine Reihe von Werken Maurice Ravels: "Le Tombeau de Couperin", "La Valse", die "Rapsodie espagnole" und die "Alborada del Gracioso". Dieses ursprüngliche Klavierstück (aus den "Miroirs"), das Ravel selbst orchestrierte, stylt Karajan rau, kantig und schroff, mit herrlich "klappernden" Pizzicati als Gitarren-Imitationen, wunderbar poetischen Momenten, verstörend unheimlichen Stimmungen und faszinierend kruden Tutti-Wirkungen.

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Ravel, Alborada del Gracioso ~ Karajan | Bildquelle: CristinaCeaicovski (via YouTube)

Ravel, Alborada del Gracioso ~ Karajan

Richard Strauss: "Der Rosenkavalier"

Wohl von keiner anderen Oper konnte Karajan das Libretto so aus dem Effeff aufsagen wie vom "Rosenkavalier". Nach seiner eigenen Aussage hätte man ihn mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißen und ihm irgendeine Textpartie vortragen können – er wäre fähig gewesen, sie sofort korrekt fortzusetzen. Die Kenntnis beruhte auf den immensen Erfahrungen, die Karajan noch während seiner Theaterkapellmeister in Ulm und Aachen um 1930 mit der Oper gemacht hatte, als er sie mit Sängern, die zum Teil keine Noten lesen konnten, in mühevoller Arbeit einzustudieren hatte. Nach dem Krieg nahm er sie dann mit erstklassigen Kräften gleich drei Mal auf. Zwei Mal mit Elisabeth Schwarzkopf, ein Mal mit Anna Tomowa Sintow als Marschallin. Von größtem akustischen und optischen Reiz ist die Aufnahme und Verfilmung der Oper vom Anfang der 160er Jahre. Nach der ersten Gesamtaufnahme mit dem Philharmonia Orchestra von 1956 spielten nun die Wiener Philharmoniker. Den Octavian sang Sena Jurinac, die Sophie Anneliese Rothberger, den Baron von Ochs Otto Edelmann, den Faninal Erich Kunz. In der Rolle der Marschallin die kongeniale Elisabeth Schwarzkopf.

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Der Rosenkavalier - Jurinac, Rothenberger, Schwarzkopf, Karajan | Bildquelle: Herur22 (via YouTube)

Der Rosenkavalier - Jurinac, Rothenberger, Schwarzkopf, Karajan

Kommentare (2)

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Mittwoch, 17.Juli, 10:26 Uhr

Manfred Heizmann

Die aufgeführten Einspielungen stehen alle bei mir als Vinyl im Schrank und ich kann Herrn Meyer nur beipflichten, dies sind Referenzaufnahmen! Ergänzend muss ich noch hinzufügen, Brahms' vier Symphonien aus den 1960er sind auch der Kracher. Niemand hat diese Musik besser eingespielt. Auch Karajan später selber nicht mehr. Mit der Digitalisierung stand für ihn wohl nur noch die Technik und der Kommerz im Vordergrund. Leider.

Dienstag, 16.Juli, 20:17 Uhr

Schubert, Klaus

Herbert von Karajan und Berlin

Ich lebte ja über 20 Jahren in Berlin, und als Klassikfan habe ich natürlich auch Konzerte und CD von ihm gehört. Als Beethoven und Mahler Interpret super, aber wenn er Mozart spielte, war das einfach nur schrecklich. Aber er hat der Nachwelt viel hinterlassen, die berlier Philharmonie und den dazugehörigen Kammermusiksaal, vorallem aber die Entwicklung der CDs, die er mit Vehemenz vorantrieb. Schade ist nur, dass er beim BR fast in Vergessenheit geraten ist. Aber vielleicht ändert sich das ja. mich würde es freuen. .

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