Nussknacker, Schwanensee, Romeo und Julia - zartrosa Tütüs kommen für Matthias Arfmann für diese Ballettklassiker nicht in die Tüte. Auf seinem neuen CD-Projekt "Ballet Jeunesse" mixt er Spitzentanz mit harten Elektrobeats, Orchesterwucht prallt hier auf Sprechgesang, Dance HipHop und Reggae. Im BR-KLASSIK-Interview stellt der Musikproduzent zusammen mit dem Komponisten Peter Imig und der Sängerin Onejiru das Projekt vor.
BR-KLASSIK: "Ballet Jeunesse" heißt Ihr neues Projekt und das Album, das am Freitag erscheint. Etwas salopp ausgedrückt: Sie hippen Ballett-Klassiker darauf auf. Das leuchtet mir bei Stücken wie "Schwanensee" und "Nussknacker" durchaus ein. Igor Strawinskys "Feuervogel" ist allerdings 100 Jahre nach seiner Entstehung immer noch so radikal und für viele Orchester brutal schwer - kann man den wirklich noch mehr gegen den Strich bürsten?
Matthias Arfmann: Ich glaube, vorsätzlich irgendetwas gegen den Strich zu bürsten, haben wir bei keinem einzigen der Werke vorgehabt. Das, was wirklich in uns ruht, ist auch ein echtes Fansein den Originalen gegenüber. Wir sagen nur: Es sollte möglich sein, dass man eine andere Spielwiese eröffnet. Irgendetwas gegen den Strich zu bürsten oder das Werk in Frage zu stellen - das ist nicht unsere Herangehensweise.
BR-KLASSIK: Erklären Sie bitte: Was passiert genau mit der Musik bei "Ballet Jeunesse"?
Peter Imig (Komponist): Wir haben diese Stücke aus den 1910er Jahren gehört, seziert, untersucht - und haben Stellen rausgesucht, die wir ganz toll fanden. Die haben wir dann neu arrangiert, in einen neuen Zusammenhang gestellt und dazu noch Basslinien, Rhythmen, Gitarrenklänge und Synthesizer spielen lassen - also ein Instrumentarium aus der heutigen Zeit. So wollten wir erreichen, dass sich die beiden Welten begegnen, gegenseitig ergänzen, in einen fruchtbaren Austausch miteinander treten.
BR-KLASSIK: Und was dann noch passiert - das finde ich persönlich das Spannendste an der ganzen Sache, weil es für das Ballett eher untypisch ist: Es kommt Gesang dazu. Was ist der Mehrwert und wie fügt der Gesang sich ein?
Onejiru (Sängerin): Ich habe versucht ergänzend zu diesen Werken, die wir im Studio neu kreiert haben, über die Melodie, über den Text eine weitere Ebene zu eröffnen. Wir haben natürlich auch ein bisschen recherchiert: Was sind die Urgeschichten, was wird uns da erzählt? Und das habe ich versucht in das Hier und Heute zu adaptieren. Ich hoffe, dass das gelungen ist. Ich hatte zumindest immer Angst davor, dass es vielleicht nicht ganz so gut klappt, aber meine erste Referenz waren die Mitmusiker und wenn dann ihre Gesichter geleuchtet haben, habe ich gedacht: Ok, da ist etwas passiert.
BR-KLASSIK: An wen richtet sich das Projekt? Sind es die klassischen Ballettfans oder sind es die, die es noch werden sollen?
Matthias Arfmann | Bildquelle: © Gulliver Theis / Decca Records Matthias Arfmann: Wir haben keine Zielgruppe. Wenn man sich eine Zielgruppe vorstellt oder wünscht, dann hat man schon verloren. Man versucht erst einmal tolle Musik zu machen und wenn am Ende des Tages die Zielgruppe von neun bis 90 geht, ist alles am Start. Das Sendungsbewusstsein - das hat man nicht beim Musikmachen. Im Nachhinein merkt man oder erfährt man auch von Freunden, dass sich auch jüngere Leute, die mit Klassik vielleicht noch nie in Berührung kamen, unsere Versionen toll finden und vielleicht über unsere Versionen das Original kennenlernen. Wenn mir so etwas berichtet wird, dann freue ich mich natürlich ganz besonders. Dann hat es tatsächlich noch ein Edutainment-Faktor, den ich aber nicht vorsätzlich geplant habe. Das wäre anmaßend und auch kokett, wenn man sagt: "Wir retten die Klassik. Wir verjüngen die Klassik." Das ist totaler Blödsinn.
Matthias Arfmann -"Ballet Jeunesse"
Erscheinungstermin: 09.09.2016
Label: Decca Black