Bereits als Kind hatte Mozart die Glasharmonika kennengelernt. Zeitlebens davon fasziniert, komponierte er allerdings erst kurz vor seinem Tod ein Werk für dieses ungewöhnliche Instrument. Auf Bitte der blinden Virtuosin Marianna Kirchgeßner entstand das Quintett für Glasharmonika, Flöte, Oboe, Viola und Cello, KV 617. Es ist Mozarts letztes Kammermusikwerk.
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Benjamin Franklin soll es erfunden haben, indem er Glasglocken unterschiedlicher Größe ineinanderschob und auf einer Spindel befestigte. Damit sie sich drehten, musste man ein Pedal treten - und damit ein Ton entstand, berührte der Spieler die Glockenränder mit feuchten Fingerspitzen. Psychiater benutzten die Glasharmonika zur therapeutischen Hypnose. Andere ließen sie polizeilich verbieten, weil sie überzeugt waren, dass ihr Klang Hirnschäden verursachte. Wieder andere ließen sich von ihrem Klang einfach bezaubern. Zu ihnen gehörte offenbar Wolfgang Amadeus Mozart. Das Instrument von Marianne Kirchgeßner war besonders fortschrittlich, denn es war mit einer automatischen Befeuchtungseinrichtung verbunden, so dass die Spielerin nicht ständig die Finger ins Wasser tauchen musste.
1791 kam Marianne Kirchgeßner auf ihrer ersten Tournee nach Wien. Mozart hörte sie bei einem Privatkonzert und ließ sich nicht lange bitten. Er schrieb ihr zwei Werke: ein Adagio in C-Dur für Glasharmonika Solo sowie am 26. Mai 1791 das "Adagio und Rondo" für Glasharmonika, Flöte, Oboe, Viola und Violoncello, KV 617.
Danach begegneten sich Marianne Kirchgeßner und Mozart nie wieder. Mozart starb Ende des Jahres, und Kirchgeßner tourte als gefeierter Star zehn Jahre lang durch Europa. Sie spielte vor Königen, speiste mit Goethe, ließ sich feiern und setzte sich in der Nähe von Leipzig zur Ruhe. Doch dann brach sie noch einmal auf: in die Schweiz, 1808, mitten im Winter. Die Postkutsche hat bei Schaffhausen einen Unfall, Marianne Kirchgeßner verkühlt sich und stirbt am Brustfieber.
Geblieben ist von ihr fast nichts: kein Bild, denn niemand malte sie; keine Biographie, denn niemand schrieb sie; keine Noten, denn sie spielte immer auswendig. Nur Mozarts Musik und eine blonde Haarsträhne im Stadtmuseum von Schaffhausen.
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