Er zählt zu den faszinierendsten Komponisten der Gegenwart: der Ungar György Kurtág. Als Professor an der Budapester Musikakademie hatte er schon fast das Pensionsalter erreicht, als ihm schließlich der internationale Durchbruch gelang: 1981 in Paris, mit dem Liederzyklus "Mitteilungen des verstorbenen Fräuleins Troussova", den das Ensemble Intercontemporain unter Pierre Boulez uraufführte. Seitdem haben seine Werke ihren Weg ins Konzertrepertoire gefunden, werden von großen Interpreten aufgeführt.
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Er war nie ein musikalischer Revolutionär wie seine Generationsgenossen Stockhausen oder Boulez. György Kurtág versteht sein ganzes Schaffen als Dialog mit den Großen der Tradition. Legendär seine vierhändigen Bach-Transkriptionen, die er mit seiner Frau Marta so anrührend im Konzert spielt. Legendär aber auch seine zahlreichen Hommage-Kompositionen: an Schumann oder Strawinksy, an Schubert oder Verdi. Manche von ihnen dauern nur ein paar Sekunden, gemäß Kurtágs Credo:
... dass ich also mit den wenigsten Tönen, so viel und so dicht wie möglich, etwas formulieren möchte.
Miniaturen, die vorüber huschen, ehe sie richtig begonnen zu haben scheinen - so kennt man György Kurtágs Musik. Jeden Ton wählt der Komponist skrupulös aus, sein Schaffensprozess ist oft qualvoll langsam. Von den Hörern fordert er höchste Konzentration. Trotzdem ist seine Tonsprache alles andere als verkopft, meint sein langjähriger Freund, der Publizist Bálint András Varga:
Er ist wirklich ein Mensch, der in der Musik lebt. Ein sehr sensibler, sehr komplexer Mann, ein vulkanischer, instinktiver, von innen kommender Ausdruckswille.
Kurtágs Botschaften verhallten lange Jahre praktisch ungehört. Nach einem kurzen Studium bei Messiaen in Paris kehrte er 1958 nach Budapest zurück, wo er über Jahrzehnte hinweg mit großer Hingabe Kammermusik unterrichtete. Seine Entwicklung verlief behutsam, vom frühen Streichquartett bis hin zu groß besetzten Orchesterwerken, die auch den Raumklang mit einbeziehen.
Zur Zeit arbeitet der 90-Jährige an einer Beckett-Oper für die Salzburger Festspiele. Mehrfach musste die Uraufführung bereits verschoben werden. Kurtág stellt höchste Ansprüche an sich selbst -und an seine Interpreten. Die Sopranistinnen Maria Husmann und Juliane Banse können ein Lied davon singen. "Vorsingen findet fast nie statt, weil Kurtág meist schon nach der ersten Note unterbricht - und die ist schon nicht richtig! Schon der erste Ton kann bei ihm eine halbe Stunde der Korrektur gebrauchen", sagt Maria Husmann. Juliane Banse ergänzt: "Er ist unglaublich streng. Das macht es ihm selbst auch schwer, weil er natürlich an den Leuten verzweifelt, wenn sie seine Vorstellungen nicht erfüllen können!"
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Komponist György Kurtág | Bildquelle: Huszti Istvan
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Geigerin Patricia Kopatchinskaja | Bildquelle: Marco Borggreve
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Dirigent Iván Fischer | Bildquelle: picture-alliance/dpa
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Komponist und Dirigent Pierre Boulez | Bildquelle: picture-alliance/dpa
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Komponist György Ligeti | Bildquelle: H.J. Kropp
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Kurtágs Erfolg kam spät, aber nachhaltig. Seine Zeit brach erst an, als die verknöcherten Dogmen der Avantgarde an Kraft verloren. Heute ist sein Rang als Komponist unbestritten. Vielleicht wegen der Wahrhaftigkeit, die seine Werke ausstrahlen. Vielleicht auch, weil in seiner Musik eine lange verlorene Schönheit wiederaufblüht. Und vielleicht, weil aus jedem Takt eine existentielle Botschaft spricht, die uns im Innersten berührt.