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Zum 85. Geburtstag von Sofia Gubaidulina Eigensinnige Mystikerin der Musik

"Das Wesentliche der Seele geht über ins Werk", sagt Sofia Gubaidulina über ihren eigenen Kompositionsprozess. Seit Beginn der achtziger Jahre gelangten die Werke der russischen Komponistin - mit Hilfe von Gidon Kremer - ins westliche Konzertprogramm. Mittlerweile ist Gubaidulina aus der Musikwelt nicht mehr weg zu denken. Am 24. Oktober wurde sie 85 Jahre alt.

Bildquelle: picture-alliance/dpa/Wildbild

"Warum schreiben Sie nicht mal ein Violinkonzert?", fragte einmal der Geiger Gidon Kremer die Komponistin Sofia Gubaidulina. Das Ergebnis: Gubaidulinas erstes Violinkonzert "Offertorium", komponiert 1980. Es war der Beginn ihrer Karriere im Westen. Gidon Kremer führte das Konzert auf, wo er nur konnte - von Wien bis New York. Die westliche Avantgarde staunte, dass hier etwas Innovatives geschah, ganz ohne neue Techniken und Systeme. Die Musik erinnert an Ligeti, Stockhausen, Schostakowitsch, Messiaen, Bach und Berg. Und doch findet man weder direkte noch indirekte Zitate dieser Meister in Gubaidulinas Komposition.

Dmitri Schostakowitsch als Mentor

Sofia Gubaidulina wurde 1931 in Tschistopol geboren, eine Stadt in der tatarischen Republik. Mit fünf Jahren bekam sie ersten Musikunterricht, mit 13 komponierte sie schon. Gubaidulina studierte Komposition in Kasan und Moskau. Als eigensinnige Künstlerin achtete sie nicht auf  staatskonforme Ästhetik und stand in ständiger Auseinandersetzung mit den Parteifunktionären der Sowjetunion. Beim Examen kam dann der erste Tiefschlag: Sie sei "auf dem falschen Weg", entschied der Prüfungsausschuss. Ein Kommissionsmitglied war allerdings anderer Meinung und bestärkte sie, diesen "falschen Weg" weiterzugehen: Es war Dmitrij Schostakowitsch. Ihm zeigte Sofia Gubaidulina ihre Jugendwerke - und erhielt von dem Komponisten wichtige Anregungen.

Dmitri Schostakowitsch war für mich eine sehr wichtige Persönlichkeit - als Mensch und als Komponist.
Sofia Gubaidulina

"Kakophonie und eine Krankheit"

Sich als freischaffende Komponistin in der Sowjetunion zu etablieren, war für Sofia Gubaidulina nicht leicht. Nach einem Auftritt ihrer Improvisationsgruppe "Astreja" wurde dem Ensemble vom Sowjetstaat vorgehalten, die Musik sei "Kakophonie und eine Krankheit". Um sich über Wasser zu halten, hat Gubaidulina Filmmusik komponiert. Die Musik, die sie eigentlich schreiben wollte, wurde verboten, ebenso das Reisen. Erst unter Michail Gorbatschow änderte sich die Situation. 1992 verließ Gubaidulina Russland, seitdem lebt sie in der Nähe von Hamburg.

Religion und Zahlen als Quelle der Inspiration

Außermusikalischen Bezüge sind typisch für Gubaidulinas Werke. Besonders in der Religion findet die russisch-orthodoxe Christin immer wieder Anknüpfungspunkte - als Gegenstand ihrer Kompositionen und als Kunstidee: "Ich bin überzeugt davon, dass die Kunst ihre Hauptwurzeln in der Religion hat. Das ist eine Dimension, die uns mit Vollkommenheit, mit absoluter Wahrheit verbindet", sagt die Komponistin und schöpft Inspiration aus vielen Quellen. Ihr Schaffen ist beeinflusst von Bach und Webern, der europäischen und amerikanischen Avantgarde und östlicher Philosophie. Sie sucht aber auch die Freiheit der Improvisation. Zahlenverhältnisse und die Stille spielen dabei oft eine große Rolle.

Grosse Pläne mit 85 Jahren

Heute, mit 85 Jahren, ist Sofia Gubaidulina immer noch sehr aktiv. In der aktuellen Spielzeit ist sie Composer in Residence bei der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Am 30. Oktober 2016 hebt das Orchester ihr neues Auftragswerk "Über Liebe und Hass" aus der Taufe, und im Februar 2017 wird in Boston ihr Triple-Konzert für Geige, Violoncello und Bajan (russisches Knopfakkordeon) uraufgeführt, bevor es anschließend in der New Yorker Carnegie Hall erklingen wird.

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