Vor 100 Jahren entwickelte der russische Physiker Lew Termen das erste elektronische Musikinstrument der Welt: das Theremin. Durch Handbewegungen im elektromagnetischen Feld kann der Spieler Töne erzeugen, ohne das Instrument zu berühren. So versetzt die Thereministin Carolina Eyck ihr Publikum überall auf der Welt in Erstaunen.
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Musik aus der Luft
Carolina Eyck steht im dunklen Kleid auf der Bühne, die langen glatten Haare fallen ihr über die Schultern. Vor ihr ein Kasten aus Holz mit zwei Antennen. Die auf der rechten Seite ragt nach oben, die an der linken Seite ist kreisförmig gebogen. Ein Theremin. Carolina Eyck bewegt ihre Hände und Arme vor den Antennen in der Luft. Wie aus dem Nichts entstehen Töne. "Als ich als Kind auf der Bühne stand, wusste ich immer: Kein anderer im Raum weiß jetzt, was ich gerade mache, und die denken alle, ich kann zaubern", erinnert sich die Musikerin.
Lew Termen, Erfinder des Theremins | Bildquelle: wikipedia
Wie bei einer Zaubershow, so fühlte sich vielleicht auch der Erfinder des Theremins, der russische Physiker Lew Termen, als er sein elektronisches Instrument vor 100 Jahren erstmals seinen Kollegen präsentierte.
Der Trick hinter dieser “Geistermusik”: Der Thereminspieler bringt mit seinen Bewegungen ein elektromagnetisches Feld zum Schwingen, und diese Schwingungen werden in Töne übersetzt. Nähert er sich der geraden Antenne, wird der Ton höher. Mit der gebogenen Antenne steuert er die Lautstärke.
Carolina Eyck bekam ihr besonderes Instrument von ihren Eltern geschenkt, als sie sieben Jahre alt war. Ihren ersten Unterricht erhielt sie von der Thereministin Lydia Kavina, der Großnichte des Erfinders Lew Termen. "Ich habe noch ganz alte Videos, wie das im Unterricht war,", sagt sie. "Rückblickend würde ich sagen, ist es natürlich schwieriger, als Kind das Theremin zu erlernen, weil man eine ungeheure Körperspannung haben muss. Wir sind ein Teil des Instruments. Und wenn wir eine andere Körperhaltung einnehmen, dann verändern wir die Form des Instruments, weil wir die elektromagnetischen Felder verändern.
Ich wollte in der Lage sein, dass ich den Ton sauber treffen kann, ohne dass ich ihn vorher gehört haben muss.
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Carolina Eyck - Theremin & Voice - For Anne
Eine weitere Herausforderung des Theremins ist die Orientierung. Es gibt keine Tasten oder Saiten. Um die richtigen Töne in der Luft zu finden, hat Carolina Eyck als Jugendliche eine spezielle Fingertechnik entwickelt: "Da bin ich selber auf eine neue Spieltechnik gekommen, die mit acht Fingerpositionen arbeitet und wo ich mit der Länge einer Hand eine Oktave in der Luft ausmessen kann. Ich wollte in der Lage sein, dass ich den Ton sauber treffen kann, ohne dass ich ihn vorher gehört haben muss. Als ich siebzehn war, habe ich das aufgeschrieben und nach der Spieltechnik spielen heute die meisten Thereministen."
Das Theremin rief schon früh zahlreiche Filmmusikkomponisten auf den Plan. Der sphärische, fremdartige Klang war wie geschaffen für Science Fiction oder Gruseleffekte. Auch in Miklós Rozsas oscarprämierter Musik zum Hitchcock-Film “Spellbound” aus dem Jahr 1945 tritt das Theremin auf. Trotzdem blieb es ein Nischen-Instrument, und weil es kaum Konzertrepertoire gab, mussten Thereminspieler auf Transkriptionen zurückgreifen, erzählt Carolina Eyck: "Langsame Stücke von der Geige, von der Flöte, Cellotranskriptionen, und das hat man dann auf dem Theremin gespielt. In den letzten Jahren sind aber immer mehr Originalkompositionen hinzugekommen, die auch den Charakter des Instruments eher mit einbeziehen."
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Miklós Rozsa - Spellbound Concerto
Neue Originalkompositionen gibt es etwa von dem türkischen Komponisten Fazil Say oder dem Finnen Kalevi Aho. Carolina Eyck schreibt aber auch selbst Stücke. Sie kombiniert Theremin mit Stimme, experimentiert mit Klängen, die sich im Raum bewegen, mit Controllern, Loops und Licht. Das Theremin ist im 21. Jahrhundert angekommen. Und nach wie vor versetzt es das Publikum in Erstaunen: "Wenn ich es schaffe, dass die Leute nicht nur fasziniert sind vom Instrument, sondern auch von der Musik berührt sind, dann ist das für mich das größte Kompliment."