Seit Jahren leidet Anton Bruckner unter dem einflussreichen Musikkritiker Eduard Hanslick. Nachdem dem Komponisten erst wenige Monate zuvor das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens verliehen wurde, traut er sich schließlich, den Kaiser um seine Unterstützung zu bitten.
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Der Kaiser muss lachen. Der Anblick, der sich Franz Joseph I. bietet, ist einfach zu komisch: Vor ihm steht Anton Bruckner – gezwängt in eine elegante Uniform, die so gar nicht zu seinem Körperbau passt. Auf der Brust trägt Bruckner stolz das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens. Der Kaiser hatte es ihm vor ein paar Monaten verliehen – nachdem die musikliebende bayerische Herzogin Amalie Maria ein gutes Wort für den Komponisten eingelegt hatte. Eigentlich eine ziemlich niedrige Auszeichnung! Trotzdem hat sich Bruckner nun für die Audienz extra die dazugehörige Ritter-Ordensuniform schneidern lassen. Die ist freilich nicht so bequem wie die viel zu weiten, schlottrigen Anzüge, in denen Bruckner sonst seinen Bauch versteckt.
Insgeheim hofft Bruckner, den Kaiser als Mäzen zu gewinnen. Er ist es leid, so viel zu unterrichten. Er braucht die Zeit zum Komponieren. Außerdem macht ihm die Wiener Presse zu schaffen – allen voran Eduard Hanslick. Erst Anfang des Jahres hat der gefürchtete "Kritikerpapst" Bruckners Siebte Symphonie nach der Aufführung in Wien abfällig als "symphonische Riesenschlange" bezeichnet. Die Musik sei, so Hanslick, "unnatürlich aufgeblasen, krankhaft und verderblich".
Seit Jahren leidet Bruckner unter Hanslick. Auch weil der alle Kritikerkollegen gegen ihn aufhetzt - so Bruckners Verschwörungstheorie. Vor lauter Angst lässt Bruckner seine Werke woanders aufführen. Überall, Hauptsache nicht in Wien! Doch die vielen Reisen ins Ausland kosten Zeit und Geld. Von beidem hat Bruckner zu wenig. Und so klagt er Kaiser Franz Joseph sein Leid. Als der Monarch fragt, welchen Wunsch er Bruckner erfüllen könnte, platzt es aus ihm heraus.
Majestät, verbietens allergnädigst dem Hanslick, daß er schlecht über mi' schreibt.
Der Kaiser lächelt freundlich, erklärt Bruckner dann aber, dass das nicht möglich sei. Dafür werde er ihn aber finanziell bei seinen Reisen unterstützen. Und auch den nötigen Urlaub solle er bekommen.
Und so bleibt in Wien alles beim Alten. Mit Hanslick gesprochen hat der Kaiser vermutlich nicht. Doch selbst der missgünstige Kritiker muss irgendwann zugeben, dass Bruckners Musik beim breiten Publikum zunehmend beliebter wird.
Es ist nicht unmöglich, dass diesem traumverwirrten Katzenjammerstil die Zukunft gehört – eine Zukunft, die wir darum nicht beneiden.
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