Leipzig, 28. Juli 1949. Es ist Mittagszeit. Maurermeister Malecki zieht mit einem Gehilfen einen Karren über das Pflaster, vom Augustusplatz über die Grimmaische Straße zum Thomaskirchhof. Auf dem Karren eine alte Holzkiste. Niemand nimmt von den beiden Männern Notiz. Malecki klopft an die Kirchentür, und als der Küster ihm öffnet, sagt er: "Tach, ich bring' den Bach."
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In der Kiste waren Knochen, Johann Sebastian Bachs Knochen, die nun endlich nach fast 200 Jahren ihre letzte, aber auch wirklich allerletzte Ruhe finden sollten. Aber wieso erst jetzt? Die erste Beisetzung hatte 1750 auf dem Johanniskirchhof stattgefunden, in einem Eichensarg, ohne Stein und ohne Tamtam. Später kam das vielen seltsam vor, auch Robert Schumann, der 1836 suchend auf dem Friedhof umherirrte: "Viele Stunden lang forschte ich kreuz und quer, ich fand keinen J. S. Bach. Als ich den Totengräber danach fragte, schüttelte er den Kopf und meinte: Bachs gäbs viele."
Man fing an zu graben – und fand tatsächlich ein Skelett. Ein aus Basel angereister Anatomieprofessor bestätigte: Ja, das ist Bach. Also, das könnte er sein ...! Man bettete die Gebeine um und bestattete sie im Jahr 1900 in einer Gruft unter der Johanniskirche. Die Kirche wurde 1943 zerstört, der Sarg aber blieb erhalten. Der SED schwebte ein Mausoleum vor, Bachs Sarg unter Hammer, Zirkel und Ährenkranz. Dagegen protestierten Thomaskantor und Bach-Gesellschaft – und engagierten Maurermeister Malecki. Der Sarg wurde in der Sakristei der Thomaskirche zwischengelagert, Gemeindemitglieder und Bach-Freunde wechselten sich ab bei der Totenwache, und ein Jahr später, zum 200. Todestag, wurde das neue Grab offiziell eingeweiht, diesmal mit einem Staatsakt.
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BACH - Johannes-Passion, "Ruht wohl, ihr heiligen Gebeine" (HERREWEGHE)
Aber ist es wirklich Bach, der dort liegt? Wissenschaftler haben ihre Zweifel. Man könnte es herausfinden, durch einen DNA-Vergleich mit den Knochen seines Sohnes Carl Philipp Emanuel. Aber dazu ist es bisher nicht gekommen. Vielleicht will man es auch gar nicht so genau wissen. Oder man will sie endlich ruhen lassen, die Gebeine des größten Tonsetzers aller Zeiten – oder von wem auch immer.
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