München, 30. November 1920. "Die Vögel" von Walter Braunfels werden am Nationaltheater uraufgeführt. "Ich glaube nicht, dass über die deutsche Opernbühne je ein so absolutes Künstlerwerk gegangen ist wie dieses lyrisch-phantastische Spiel nach Aristophanes." So schwärmt Kritiker Alfred Einstein über die Oper, in der Wiedehopf, Schwalbe und Nachtigall das Singen und Sagen haben.
Bildquelle: Wilfried Hösl
Die Sendung zum Anhören
Foto: Szenenbild aus Frank Castorffs Inszenierung der "Vögel" an der Bayerischen Staatsoper, 2020
Ratefreund und Hoffegut sind von ihren Mitmenschen enttäuscht und versuchen ihr Glück im Reich der Vögel. Sie wiegeln das gefiederte Völkchen dazu auf, sein Reich – nämlich die Luft – durch eine befestigte Stadt zu sichern und den Göttern den Krieg zu erklären. Die Vögel lassen sich von diesem Größenwahn anstecken, spielen sich als Herren des Himmels auf und stellen Zeus ihr "Wolkenkuckucksheim" vor die Nase, das der Göttervater mit einem Sturm aus dem kleinen Finger zerstört. Reumütig erkennen die Vögel ihren Hochmut. Eine politische Parabel wie die antike Vorlage? Sicher spiegelt die Oper die katastrophale Erfahrung des Ersten Weltkriegs wider. Gleichzeitig ist sie ein zeitloses Werk romantischer Sehnsucht nach Schönheit, Poesie und mystischem Naturerleben.
Walter Braunfels avancierte mit diesem Sensationserfolg zu einer der prominentesten Figuren des deutschen Musiklebens: Als Komponist, Konzertpianist und Gründungsdirektor der Kölner Musikhochschule – bis 1933: Die Nationalsozialisten enthoben den sogenannten "Halbjuden" aller Ämter und verbannten seine Werke von den Spielplänen. Braunfels überdauerte die zwölf braunen Jahre zurückgezogen in einem kleinen Ort am Bodensee.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
BRAUNFELS Die Vogel - Prelude and Prologue of the Nightingale feat. Louise Toppin, soprano
In der Nachkriegszeit galt seine spätromantisch geprägte Musik als überholt und geriet gänzlich in Vergessenheit. "Die Vögel" gelangten erst 1995 im Rahmen der Decca-Reihe "Entartete Musik" zur Gesamteinspielung – vier Jahrzehnte nach dem Tod des Komponisten.
Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.
Sendung: "Allegro" am 30. November 2020 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK