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Was heute geschah - 4. Juli 1810 E.T.A. Hoffmanns Beethoven-Kritik erscheint

In der Allgemeinen Musikalischen Zeitung erscheint eine ungewöhnliche Rezension über Beethovens Fünfte Symphonie. Ihr Autor heißt E.T.A. Hoffmann, gescheiterter Theaterkapellmeister und durch die Kunstfeindlichkeit des Philistertums gründlich desillusionierter Komponist, Schriftsteller und Zeichner, der gerade erst wieder neu beginnt, im Theaterleben Fuß zu fassen.

E.T.A. Hoffmann | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Vor einem Jahr hat sich E.T.A. Hoffmann bei der renommierten Musikzeitschrift als freier Mitarbeiter beworben und nach der Veröffentlichung einer Erzählung über Christoph Willibald Gluck auch eine beeindruckende Musik-Rezension abgeliefert. Jetzt hat der Herausgeber dem 34-Jährigen Beethoven anvertraut.

Hoffmanns übermächtiger Eindruck

"Beethovens Instrumentalmusik öffnet uns das Reich des Ungeheueren und Unermesslichen. Glühende Strahlen schießen durch dieses Reiches tiefe Nacht (…), die alles in uns vernichten, nur nicht den Schmerz der unendlichen Sehnsucht!"

Was für ein Gefühlsvokabular! Doch nicht allein die musikalische Sogwirkung verleitet Hoffmann zu solchen Sätzen. Auch Jean Paul, Wilhelm Heinrich Wackenroder, Ludwig Tieck sowie die romantische Kunstanschauung überhaupt sind verantwortlich für den neuen Stil des Kritikers, dessen Fazit lautet:

Beethoven ist ein romantischer Komponist.

Romantischer Beethoven - warum?

Ludwig van Beethoven | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa Weil in Beethovens Musik neben dem Schönen das Dämonische gleichberechtigt zum Wesen der Kunst gehört! Und weil Beethovens Hauptanliegen die Instrumentalmusik ist, "die romantischste aller Künste! Sie schließt dem Menschen ein unbekanntes Reich auf, um sich dem Unaussprechlichen hinzugeben".

Auf eine ausführliche und genaue Analyse verzichtet Hoffmann dennoch nicht. Wie sonst auch, als im Begreifen von Form, Harmonik und Struktur lässt sich nachvollziehen, wie das "besonnene Genie" die magische Welt der Töne einzufangen versucht, um dann jene Ahnung vom Unaussprechlichen zu vermitteln? Beethoven verliert sich schließlich nicht in Schwärmerei wie Hoffmanns literarische Figur seines Kapellmeisters Kreisler: "Beethoven trennt sein Ich von dem inneren Reich der Töne und gebietet darüber als unumschränkter Herr."

E.T.A. Hoffmanns Beethoven-Bild

Noch ahnt niemand, dass Hoffmanns Beethoven-Bild Musikgeschichte schreiben wird und schon bald Komponisten wie Schumann oder Berlioz den Meister der Klassik zum Wegbereiter der eigenen romantischen symphonischen Musiksprache erklären. Hoffmann hat es zum ersten Mal ausgesprochen:

Beethovens Musik erweckt jene unendliche Sehnsucht, welche das Wesen der Romantik ist.

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 8.30 Uhr und um 16.40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

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