"Es gab wiederholten Applaus bei offener Szene und am Schluss sogar 23 Vorhänge – fünf Vorhänge hält man in der Frankfurter Oper schon für einen Erfolg!" Der Komponist Kurt Weill ist glücklich über den Erfolg seiner Premiere "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny". Für gewöhnlich ist das Frankfurter Publikum als besonders altmodisch verschrien. Doch das Glück währt nicht lange.
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Bei der zweiten Vorstellung von Kurt Weills "Mahagonny" kommt es zu Krawallen. Während der ersten Pause stürmen 150 Nationalsozialisten ins Foyer der Oper. Ihr Gejohle und Gepfeife hallt durch das Haus. Auf dem Vorplatz wird "Deutschland erwache" gegrölt. Nur mit Mühe kann die Frankfurter Polizei für Ruhe sorgen und der zweite Akt beginnt.
Auf der Bühne rast ein Hurrikan auf die fiktive amerikanische Stadt Mahagonny zu, auf jene Stadt, in der Saufen und Hurerei legitim sind. Kenner sind begeistert von Weills raffiniert eingearbeiteten musikalischen Zitaten: von Bach über Berliner Schlager bis zu Wagners Tristanakkord. Süffisant, böse und mitunter schmutzig sind die Texte zu diesem modernen "Sodom und Gomorra", geschrieben von Bertolt Brecht.
Über das Publikum im Parkett ergoss sich ein wahrer Hagel von Stinkbomben.
Kurt Weill mit Lotte Lenya, die bei der Uraufführung des Singspiels "Mahagonny" mitwirkte, und Bertold Brecht, 1929 | Bildquelle: United Archives/TopFoto/Süddeutsche Zeitung Photo Doch ein solch vielschichtiges Spektakel über Moral, Unmoral und die Macht des Geldes überfordert offenbar das eindimensionale Kunstverständnis der Nationalsozialisten. Um ihrem Ärger Luft zu verschaffen, haben sich die politischen Newcomer für den zweiten Akt eine Überraschung ausgedacht, die im buchstäblichen Sinne zum Himmel stinkt. Die "Vossische Zeitung" berichtet am Tag darauf: "Über das Publikum im Parkett ergoss sich ein wahrer Hagel von Stinkbomben. Feuerwerkskörper explodierten und die Aufführung musste unterbrochen werden. Das japanische Prinzenpaar, das die Vorstellung gerade besuchte, verließ entrüstet die Oper."
Noch wehrt sich Kurt Weill öffentlich: "Es zeigt sich hier, welche Leute – Schlächter und Eisenbahndiebe – von jetzt an in Deutschland über das Schicksal von Kunstwerken entscheiden sollen. Die demokratische Presse sieht zu, aber nimmt nicht Stellung dazu!" Im März 1933 verlässt Kurt Weill bei Nacht und Nebel Deutschland.
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